Nachbarschaft: „Konflikte bieten die Chance, etwas zu verbessern“ 26. November 2025Lesedauer: 5 Min. Artikel anhören Player schließen Ob laute Musik oder der falsch geparkte Wagen – in Nachbarschaftskonflikten steckt Zündstoff. Wie man es schafft, die Ruhe zu bewahren und eine gemeinsame Lösung zu finden, erklärt Mediatorin Korinna Kubelt im Interview. Wo viele verschiedene Menschen aufeinandertreffen, sind Konflikte programmiert – so auch in der Nachbarschaft. Mitunter entstehen Missverständnisse, die sich hochschaukeln und zu echten Belastungen werden. Doch wie lässt sich ein Streit entschärfen, ohne dass der Hausfrieden dauerhaft gestört wird? Die Berliner Mediatorin Korinna Kubelt verrät im Interview, wie man in solchen Situationen klug reagiert und welche einfachen Kommunikationsstrategien dabei helfen können, eine friedliche Nachbarschaft zu erhalten. Jetzt Newsletter abonnieren und nichts mehr verpassen! E-Mail Ich stimme zu, dass die Gewobag mir per E-Mail den Newsletter zusendet und dabei die auf mich bezogenen Nutzungsstatistiken auswertet. Die Datenschutzerklärung habe ich gelesen. Meine Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Abonnieren Frau Kubelt, unter NachbarInnen kommt es immer wieder zu Streit. Was sind die größten Probleme? Korinna Kubelt: Es geht oft um Lärm und Ruhe – egal ob im Plattenbau, im Altbau oder im Eigenheim. Andere typische Beispiele sind zugeparkte Zufahrten, lautstarke Feiern oder dauerhaft offenstehende Haustüren – alles Situationen, in denen unterschiedliche Vorstellungen aufeinandertreffen. Was ist unter achtsamer Kommunikation zu verstehen? Korinna Kubelt: Achtsam zu kommunizieren heißt: präsent sein, bewusst zuhören, innehalten, bevor man reagiert – und nicht gleich zu urteilen oder zu bewerten. Oft ist es ja so, dass wir im Gespräch etwas einfach „rausplauzen“, ohne groß darüber nachzudenken, was genau wir ausdrücken wollen. Können Sie ein Beispiel dafür nennen? Korinna Kubelt: Wenn ich meiner Nachbarin sage: „Schmeißen Sie doch nicht immer so die Tür zu!“, dann ist das ein Vorwurf, der vermutlich nicht zum harmonischen Miteinander beiträgt. Mir selbst muss klar sein: Worum geht es mir? Das kann etwa das Bedürfnis nach Ruhe sein oder danach, dass Dinge heil bleiben. Dieses Bedürfnis kann mit dem meiner Nachbarin kollidieren, weil ihr etwa wichtig ist, Dinge schnell zu erledigen und sie das Türknallen dabei in Kauf nimmt. Gegensätzliche Bedürfnisse führen häufig zu Konflikten – ob im Job, in der Freizeit oder in der Beziehung. Achtsame Kommunikation bedeutet daher auch für mich, zu klären, worum es mir geht, welches Bedürfnis dahintersteckt. Und herauszufinden, wie es mein Gegenüber sieht. Die Königsdisziplin ist es dann, es auch so zu formulieren, dass es beim Gegenüber ankommt. Achtsame Kommunikation in 4 Schritten Schritt 1 – Selbstreflexion: Was habe ich beobachtet und was ist mein Bedürfnis? Schritt 2 – Klarheit: Wie kann ich mein Bedürfnis kommunizieren? Schritt 3 – Absicherung durch Nachfragen: Ist das, was ich gesagt habe, auch so angekommen, wie ich es gemeint habe? Schritt 4 – Gestaltung: Wie kann ich durch Wünsche oder Bitten das Miteinander verbessern? Warum ist achtsame Kommunikation gerade in der Nachbarschaft wichtig? Korinna Kubelt: Ein Mehrfamilienhaus ist ja auch ein alltäglicher, unfreiwilliger Begegnungsraum. Oft bestimmen soziale oder finanzielle Zwänge, wo wir wohnen, und wir leben Tür an Tür mit Menschen, die vielleicht ganz andere soziale, kulturelle oder auch emotionale Biografien haben. Das führt zu unterschiedlichen Erwartungen: Wie nah oder distanziert möchte man sein? Was empfindet man als Lärm? Manche Menschen wünschen sich ein offenes, aktives Miteinander, sie helfen sich gegenseitig aus. Andere wiederum möchten lieber ihre Ruhe und gar keinen Austausch. Wie geht man am besten mit diesen unterschiedlichen Wünschen um? Korinna Kubelt: Miteinander auf Augenhöhe ins Gespräch zu gehen und nicht davon auszugehen, dass die eigene Perspektive die richtige ist, hilft, Unterschiede besprechbar zu machen und auch zu respektieren. Gleichzeitig geht es in Nachbarschaften nicht nur ums Wohnen, sondern um soziale Räume: auf der Straße, im Café um die Ecke, bei der Nachbarschaftshilfe oder im Tauschregal. Achtsamkeit in der Sprache kann hier ein wichtiger Beitrag sein, um Zusammenhalt zu fördern, Missverständnisse zu klären oder einfach freundlich „nein“ zu sagen. Nun sind sich NachbarInnen häufig fremd. Wie kann ich achtsam Kontakt aufnehmen, ohne aufdringlich zu wirken? Korinna Kubelt: Es gibt nicht den einen universellen Kniff. Aber ein guter Anfang ist ein offener Blick, ein Lächeln, ein „Guten Tag“ oder „Wie geht es Ihnen heute?“. Wird die Bemühung erwidert, kann man es beim nächsten Mal vertiefen. Aber es ist auch wichtig, zu akzeptieren, dass nicht jeder gleich offen für einen Austausch ist. Manchmal hilft es auch, eine konkrete Gelegenheit zu schaffen – etwa durch das Ausleihen eines Werkzeugs oder das Aufhalten der Tür. Schon kleine Signale der Offenheit können große Wirkung haben. Zur Person Korinna Kubelt ist systemische Business Coachin, Mediatorin und Diversity-Trainerin. Sie begleitet Menschen und Organisationen in Phasen der Orientierung, zum Beispiel bei wichtigen Entscheidungen oder in Konflikten. Mit einem Hintergrund in Politikwissenschaft, jahrelanger Erfahrung in der Antidiskriminierungsarbeit und Organisationsentwicklung schafft sie Räume, in denen Spannungen geklärt und echte Entwicklungen ermöglicht werden. Foto: Korinna Kubelt Wie kann man Beschwerden oder Kritik äußern, ohne gleich einen Streit vom Zaun zu brechen? Korinna Kubelt: Klassisches Beispiel: die Mülltonne. Sie wird überladen, Sachen werden daneben gestellt, der Deckel bleibt offen – AnwohnerInnen ärgern sich über Geruchsbelästigungen, scheuen dann aber oft das direkte Gespräch, weil sie denken, das bringe ohnehin nichts. Sie wählen stattdessen andere Wege, um zu ihrem Recht zu kommen, oder gehen in die Konfrontation. Um Eskalation zu vermeiden, ist mein Tipp: ins Gespräch gehen, und zwar zu einem passenden Moment. Direkt aus der Wut heraus zu reagieren, führt oft ins Leere. Lieber zwischen Ärger und Reaktion einen Moment des Durchatmens einlegen. Ein ruhiger Ton, ein bedachter Moment – beides ist meist aussichtsreicher als ein erhobener Zeigefinger. Lässt sich mit achtsamer Kommunikation Streit verhindern? Korinna Kubelt: Nicht immer. Mit ein bisschen Übung kann sie jedoch dazu beitragen, sich selbst besser zu verstehen, vom anderen besser verstanden zu werden und klarer im Umgang zu bleiben. Es kann aber auch passieren, dass trotzdem keine Lösung gefunden wird. In solchen Fällen ist es wichtig, für mich selbst zu klären, wie ich damit umgehen möchte: Womit kann ich leben, womit nicht? Denn: Ich kann das Denken und Handeln anderer nicht ändern, aber meinen Blick und meine Haltung der Situation gegenüber. Sollte es zu Drohungen kommen, der Ton schärfer werden, der Konflikt das Wohlbefinden oder den Alltag ernsthaft beeinträchtigen, sollte Unterstützung hinzugezogen werden. Wann sollte man externe Hilfe wie eine Mediation suchen? Korinna Kubelt: Eine Mediation kommt dann in Betracht, wenn beide Parteien bereit sind, gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. In der Mediation geht es nicht darum, Partei zu ergreifen oder zu entscheiden, wer „Recht“ hat. Stattdessen werden die Perspektiven und Bedürfnisse sichtbar gemacht, damit gegenseitiges Verständnis und Lösungen entstehen können. Ist die andere Person nicht bereit für eine gemeinsame Konfliktklärung kann persönliche Unterstützung helfen – wie eine Beratung bei einem sozialen Träger oder der Hausverwaltung. Auch ein Konfliktcoaching kann unterstützen. Nützliche Anlaufstellen Der Verein „Zoff Off“ bietet niedrigschwellige und kostenlose Mediationen an, besonders für Menschen mit geringem Einkommen. Sie stellen MediatorInnen und passende Räume zur Verfügung, um Konflikte zu klären. Auf Plattformen wie „Redezeit für dich“ kann man seine eigene Perspektive sortieren und für sich selbst klären, wie man mit der Situation umgehen will, welche Schritte möglich sind und was man tun kann, wenn diese Schritte nicht weiterhelfen. MieterInnen der Gewobag können mit Anliegen rund um Konflikte in der Nachbarschaft beim Service-Center anrufen, unter der Telefonnummer: 030 4708-4000 Frau Kubelt, was ist Ihr wichtigster Tipp für ein gutes Miteinander in der Nachbarschaft? Korinna Kubelt: Konflikte nicht als Katastrophe, sondern auch als Möglichkeit zu sehen, etwas zu ändern oder zu verbessern. Oft reichen ein Gespräch, eine freundliche Geste oder ein Willkommen, um Brücken zu bauen. Und vor allem: zuhören. Wirklich zuhören – ohne gleich zu bewerten. Gerade in einer Zeit, in der viele gesellschaftliche Spannungen bestehen, kann Nachbarschaft ein Ort sein, an dem wir wieder lernen, einander zuzuhören. Vielen Dank für das Gespräch! Titelfoto: Getty Images
Achtsame Kommunikation in 4 Schritten Schritt 1 – Selbstreflexion: Was habe ich beobachtet und was ist mein Bedürfnis? Schritt 2 – Klarheit: Wie kann ich mein Bedürfnis kommunizieren? Schritt 3 – Absicherung durch Nachfragen: Ist das, was ich gesagt habe, auch so angekommen, wie ich es gemeint habe? Schritt 4 – Gestaltung: Wie kann ich durch Wünsche oder Bitten das Miteinander verbessern?
Nützliche Anlaufstellen Der Verein „Zoff Off“ bietet niedrigschwellige und kostenlose Mediationen an, besonders für Menschen mit geringem Einkommen. Sie stellen MediatorInnen und passende Räume zur Verfügung, um Konflikte zu klären. Auf Plattformen wie „Redezeit für dich“ kann man seine eigene Perspektive sortieren und für sich selbst klären, wie man mit der Situation umgehen will, welche Schritte möglich sind und was man tun kann, wenn diese Schritte nicht weiterhelfen. MieterInnen der Gewobag können mit Anliegen rund um Konflikte in der Nachbarschaft beim Service-Center anrufen, unter der Telefonnummer: 030 4708-4000
Staaken keep it clean: Wie MieterInnen im Kampf gegen Müll aktiv werden Als die Vermüllung im Quartier Heerstraße Nord immer gravierender wird, starten MieterInnen eine Kampagne, um für mehr Sauberkeit und Eigeninitiative zu werben. Entstanden ist ein Müll-Hit mit motivierender Kraft.
Rauchwarnmelder: Was MieterInnen wissen müssen In keinem Monat brennen derart viele Kerzen wie im Dezember – ein trefflicher Anlass, um einen Blick auf die Rauchwarnmelder zu werfen. Zwar sind alle Gewobag-Wohnungen mit entsprechenden Geräten ausgestattet, doch die Überprüfung der Rauchwarnmelder ist Sache der MieterInnen.