nüchtern.berlin: Die Null-Prozent-Pioniere 5. September 2024Lesedauer: 4 Min. Artikel anhören Player schließen Ob Sekt, Wein, Gin oder Wodka – das alles lässt sich inzwischen auch alkoholfrei genießen. Eine Vorreiterin dieser Entwicklung ist Isabella Steiner von „nüchtern.berlin“. Was ihren Kreuzberger Shop so besonders macht und warum sie immer mehr Fans findet. Der Bergmannkiez ist für vieles bekannt: Für Restaurants, Cafés, Boutiquen, Öko- und Buchläden, die die Bergmannstraße in Kreuzberg säumen, aber genauso für die Kneipen und Bars in Nebenstraßen. An lauen Abenden sitzt man gern draußen und fast immer ist mit dabei: ein alkoholisches Getränk. Im ganzen Kiez? Nein, ein unbeugsames Ladenlokal hört nicht auf, dem Rausch Grenzen zu setzen. Aufsteller in der Nostitzstraße 27 werben mit „Endlich alkoholfrei“ und „Berlin ist dicht. Wir nicht“. Sie gehören zu „nüchtern.berlin“, dem Online-Shop für alkoholfreie Getränke, unten im Souterrain. Dort steht Geschäftsführerin Isabella Steiner zwischen Regalen und Kartons voller Flaschen, deren Inhalt man eigentlich kennt: Wein, Gin, Sekt, Wodka. Nur, dass all das hier keinen Alkohol enthält. Mit Witz statt Schwips: ein Aufsteller vor dem Ladenlokal von „nüchtern.berlin“. Foto: Ralph Maak „nüchtern.berlin“ beweist: Eine Fahne kann man auch ohne Alkohol haben. Foto: Ralph Maak „Wumms“ hat bei „nüchtern.berlin“ nur die Werbung. Foto: Ralph Maak Vorreiterin: Geschäftsführerin Isabella Steiner von „nüchtern.berlin“. Foto: Ralph Maak Auch Getränke zum Mischen wie Ginger Ale gibt es, teils gekühlt, aber Steiner betont: „Wir sind kein Saftladen, sondern bieten hoch- und gleichwertige Alternativen zu alkoholischen Getränken. Mit unserem Geschäftsmodell sind wir weltweit die Ersten.“ Ab 2020 wurde „nüchtern.berlin“ als erster alkoholfrei Späti Deutschlands bekannt, nun verlagert sich das Geschäft zum Online-Handel. Alkoholfreie Drinks treffen den Zeitgeist Mittlerweile verkauft sie mit ihrem sechsköpfigen Team bis zu 70 Prozent online, schätzt Steiner. Alkoholfrei zu trinken sei weltweit ein Trend, den sie schon früh erkannt habe, sagt die 35-Jährige, die Soziologie studierte. „Der größte Faktor ist sicher ein gesteigertes Bewusstsein für Gesundheit.“ Hinzu kämen Strömungen wie Achtsamkeit, Work-Life-Balance und Beschäftigung mit Ernährung. Für Rausch oder den Kater danach haben viele Menschen keine Zeit mehr oder keine Lust darauf. „Uns geht es aber gar nicht so sehr um das Nein zum Alkohol, sondern um das Ja zu Alkoholfrei“, betont Steiner, „wir sind undogmatisch und verteufeln nichts. Es geht darum, Menschen zu zeigen, dass sie die Wahl haben.“ Das hätten viele bisher nicht, da Alkohol gesellschaftlich so verankert sei. „Uns geht’s nicht um das Nein zum Alkohol, sondern um das Ja zu Alkoholfrei. Es geht darum, Menschen zu zeigen, dass sie die Wahl haben.“Isabella Steiner Ob auf Hochzeiten, Firmenfeiern, ersten Dates, nach Sport, im Restaurant oder vor dem Fernseher: Für viele gehört das anregende Getränk dazu. Zumal die Alternativen oft fad oder arg zuckrig sind. Steiner setzt da einiges entgegen: Aperol Spritz, Champagner, Weiß- oder Rotwein mit null Prozent. Sie geht die Regale entlang, erklärt Geschmacksnoten, die Preise liegen zwischen 10 und 110 Euro, viele Flaschen kosten 20 bis 30 Euro. Alkoholfreies Bier hat sie kaum, da sei der Gewinn zu gering. Preislich kann sie kaum mit Supermarkt- und Drogerieketten mithalten, die immer mehr alkoholfrei anbieten. Dafür bietet sie echte Beratung an. „Und wir haben das kuratierteste Sortiment von allen.“ Geöffnet hat ihr Laden zweimal pro Woche, freitags und samstags von 12 bis 19 Uhr. Bergmannkiez im Wandel Mehr rechne sich nicht, da so viel über Onlinehandel laufe, „aber der Kiez weiß, dass wir da sind“. Steiner tauscht sich mit Nachbarn aus, es schauen immer wieder englischsprachige Kunden herein. „Ich hatte mich damals genau für diesen Kiez entschieden, weil er alles zusammenbringt“, sagt sie. Er sei gut gelegen, zentral in Berlin, es werde viel flaniert, „und er hat auch dieses gewisse Flair“. Auch wenn die junge Gründerin nicht hier wohnt, bekommt sie mit, wie sich die Gegend verändert. „Da ist ein Riesenwandel. Man sieht es an den Läden, viele machen zu, andere dafür auf“, sagt sie. Wenn sich Geschäfte bei hohen Gewerbemieten nicht rechnen, drohe die Straße eintönig zu werden. Steiner hatte Glück: Nachdem sie den alten Späti aufgab, wurde sie gleich bei der Gewobag fündig. So können sie Kunden weiterhin im Kiez ansteuern. Extrem gut kuratiertes Sortiment: ein Regal im Ladenlokal von „nüchtern.berlin“. Foto: Ralph Maak Berät gern: Gründerin Isabella Steiner. Foto: Ralph Maak Kuratiertes Sortiment: ein Regal im Ladenlokal von „nüchtern.berlin“. Foto: Ralph Maak „Wir haben viele Stammkunden aus Berlin, weil wir einen guten Ruf haben.“ Online verkaufe sie gut 70 Prozent nach Deutschland, 30 Prozent ins Ausland. Darauf konzentriert sie sich nun, einen Laden in Hamburg und Pläne in Charlottenburg gab sie auf. Hinter den Regalen stapelt sich die Kartonpappe, im Online-Versand liegt das Wachstumspotential. Die Statistik gibt ihr Recht: Alkoholkonsum in Deutschland ist seit Jahrzehnten rückläufig, auch wenn Alkoholsucht ein Problem bleibt. Die Produktion von alkoholfreien Getränken boomt daher. „Alkoholfrei ist das neue vegan“, sagt Steiner oft, der Markt könnte wachsen wie bei Fleischersatz. Die meisten Kunden konsumieren dabei flexibel, zu Flexitariern könnte es bald Flexoholiker geben. Umfassende Beratung Die Inhaberin trinkt privat ab und an selbst noch Alkohol. Es sei wichtig, um Kunden zu verstehen. Wobei sie trockenen Alkoholikern davon abraten würde, allzu ähnliche Getränke zu konsumieren. Steiner berät gerne, sie hat die Vision, nüchtern gesellschaftsfähig zu machen. Auch wenn mitunter Fragen nerven, ob 0,05% Restalkohol gefährlich wären oder wie genau die Inhaltsstoffe aussähen. So kritisch werde bei klassischem Alkohol nicht hingeschaut, klagt sie, und hofft einfach, dass die Menschen künftig zwei Flaschen zu Hause stehen haben: einen Wein mit und einen ohne Alkohol. Wobei alkoholfrei nicht zwingend rauschfrei heißt. Im Ausland wird bereits fleißig experimentiert mit Getränken, die mit Kräutern oder Koffein einem beschwipstem Zustand nahekommen sollen. Steiner führt sie noch nicht und rät vorerst ab. Wer zu ihr in den Laden komme, der finde Besseres. nüchtern.berlinNostitzstraße 27, 10965 Berlinwww.nuechtern.berlinÖffnungszeiten: Freitag und Samstag von 12 bis 19 Uhr. Titelfoto: Ralph Maak
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