Vom Lost Place zum lebendigen Raum: Gemeinsam Quartiere gestalten 15. Juli 2024Lesedauer: 5 Min. Artikel anhören Player schließen Zeitreisen sind nur Stoff für Science-Fiction? Nicht in Spandau! An der WATERKANT Berlin werden historischen Fabrikgebäude zu zukunftsträchtigen Begegnungsorten entwickelt. Die Menschen vor Ort werden dabei aktiv miteinbezogen – und liefern viele Ideen. Ein verwuchertes Gelände, zwei alte Fabrikgebäude mit vernagelten Fenstern und jede Menge Bauzaun, die sie von der Außenwelt abtrennen: Ein Lost Place im Stadtgebiet hat eine ganz eigene Faszination. Mindestens genauso faszinierend ist es aber, wenn diese verloren geglaubte Orte wieder zum Leben erweckt werden sollen. Womit sich zugleich die Frage nach der „richtigen“ Nachnutzung stellt. Auch Oliver Tusche, Abteilungsleiter SUP bei den Wasserfreunden Spandau 04, treibt diese Frage um. Er hat das Gebäude an der WATERKANT Berlin schon lange im Blick. „Als ich erfahren habe, dass die Gewobag das Objekt entwickeln will, war die Freude natürlich groß“, sagt er. Kein Wunder also, dass Tusche zu den VertreterInnen lokaler Institutionen zählt, die sich an einem Freitagvormittag im Juni auf dem Spandauer Gelände einfinden. Heute hat er die Chance, sich das Ganze aus der Nähe anzuschauen, denn die Gewobag hat den Bauzaun ausnahmsweise geöffnet, um die „Neue Pulverfabrik“ einem breiteren Publikum zu zeigen. TeilnehmerInnnen des Partizipationsverfahren auf dem Weg zur „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnnen des Partizipationsverfahren im Außenbereich der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld Ana Shalin Stoeckermann (Mitte), Partizipationsreferentin der Gewobag, während der Führung. Foto: Raufeld Das verwaiste „Maschinenhaus 8“ an der WATERKANT Berlin. Foto: Raufeld Außenaufnahme des „Siebwerk 2“. Foto: Raufeld Nachhaltigere Entscheidungen dank Beteiligung Es ist sonnig, aber nicht zu heiß – beste Voraussetzungen, um den Beteiligungsprozess für das Teilprojekt „Wohnen am Park“ zu starten. Etwa 30 Personen sind der Einladung gefolgt. Sie sind hier, um die zwei verbliebenen Fabrikgebäude zu besichtigen. Und sie sind hier, um gemeinsam zu überlegen, wie sich das Entwicklungspotenzial bestmöglich ausschöpfen lässt, denn klar ist: Die vor Ort wirkenden AkteurInnen verfügen über ein hohes Maß an lokaler Expertise und kennen die Bedarfe rund um das Quartier. Seit einigen Jahren schon setzt die Gewobag vermehrt auf die Partizipation der Nachbarschaft. Ana Shalin Stoeckermann, Referentin für Partizipation bei der Gewobag, führt die Gäste gemeinsam mit KollegInnen durch die Veranstaltung, die den Auftakt eines größeren Beteiligungsverfahrens markiert. Sie weiß, wie wichtig es ist, lokale AkteurInnen miteinzubeziehen: „Partizipation erhöht die Akzeptanz der Nachbarschaft für Planungsvorhaben und steigert gleichzeitig die Identifikation der AnwohnerInnen mit dem Quartier.“ Zudem ließen sich frühzeitig Nutzungskonflikte identifizieren, die dann rechtzeitig gelöst werden könnten. Verwildert, aber verheißungsvoll Angeführt von Ana Shalin Stoeckermann, bahnen sich die Anwesenden gemeinsam ihren Weg durch das Gestrüpp und beginnen damit ihre Reise in die Vergangenheit. Spätestens bei der Besichtigung der Backstein-Gebäude wird deutlich, dass das Potenzial für die Nachnutzung riesig ist. „Neue Pulverfabrik“: Fast vergessenes Baudenkmal Die ehemalige „Neue Pulverfabrik“ ging im Jahr 1890 in Produktion. Vor Ort sollte ein rauchärmeres Schießpulver als in der benachbarten „alten Pulverfabrik“ hergestellt werden. Nach der Entmilitarisierung im Jahr 1919 wurde der Rüstungsbetrieb komplett eingestellt. In der Folge wurden die verbliebenen Gebäude unterschiedlich genutzt und gerieten zunehmend in Vergessenheit. Heute existieren nur noch das Maschinenhaus 8 und das Siebwerk 2. Beide sind denkmalgeschützt. Das „Maschinenhaus 8“ aus dem Jahr 1889 besteht aus einem großen Raum mit hohen Decken. Neben der Größe ist die Dachkonstruktion mit den sichtbaren Holzbalken besonders beeindruckend. Eine Teilnehmerin spricht sogar von einem fast sakralen Charakter der alten Gemäuer. Das 1904 errichtete „Siebwerk 2“ ist dagegen deutlich niedriger und verschachtelter. Dafür ist es eher in die Länge gezogen und besitzt dadurch mehr Grundfläche. Die Highlights sind hier eine alte Kantine und ein Laubengang aus Holz an der Vorderseite des Gebäudes. Verschiedene Zielgruppen, verschiedene Vorstellungen TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens in den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens in den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens in den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens in den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens in den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens in den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens in den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens vor den Räumlichkeiten der „Neuen Pulverfabrik“. Foto: Raufeld Als sich die Gruppe nach dem Rundgang auf dem Vorplatz wieder versammelt, sprudeln die Ideen: Wie sähe eine gelungene Zukunft für die Gebäude aus? Um beim Sortieren der Gedanken zu helfen, hat das Team um Ana Shalin Stoeckermann vier Stationen vorbereitet, in denen die TeilnehmerInnen miteinander über verschiedene Aspekte diskutieren können. Es geht dabei um die Bedarfe im Quartier und konkrete Nutzungsideen, aber auch um Herausforderungen und den persönlichen Beitrag, den man leisten könnte. Die Gäste beschäftigen sich daher unter anderem mit den Fragen, was das Areal noch lebenswerter machen könnte und wie sich das Wohnen in unmittelbarer Nähe mit dem öffentlichen Betrieb der Gebäude vereinbaren lassen würde. In kleinen Gruppen durchlaufen die TeilnehmerInnen jede Station. Da Oliver Tusche sich schon im Vorfeld mit dem Gelände beschäftigt hat, ist er mit klaren Vorstellungen gekommen. „Ich würde mir ein Sportzentrum für Jugendliche wünschen“, sagt er, „dafür eignen sich die Räumlichkeiten auf jeden Fall.“ Er denkt dabei an Angebote wie Breakdance, BMX oder Skateboarden. Sowas brauche es hier in der Gegend unbedingt. Sportzentrum, Gemeindesaal oder doch lieber Cafébetrieb? Dominik Zupp, Inhaber des Rewe-Marktes in der Daumstraße 90, würde eine Nutzung als Treffpunkt für junge Menschen begrüßen: „Wir sehen bei uns im Markt, dass es Rückzugsorte für Jugendliche braucht.“ Außerdem könne er sich gut vorstellen, einen der Räume als Veranstaltungsraum zu nutzen, den die Anwohner für private Veranstaltungen mieten können. Ähnlich sieht es Elke Schönrock-Astilla, Vertreterin des Gemeinwesenvereins Haselhorst. Auch sie könnte sich Begegnungsangebote im Maschinenhaus gut vorstellen. Für das Siebwerk hätte sie noch andere Pläne: „Man könnte dort einen Bildungs- und Lernort schaffen. Und die alte Kantine könnte zu einem inklusiven Café ausgebaut werden.“ Die TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens entwickelten zahlreiche Ideen. Foto: Raufeld Die TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens entwickelten zahlreiche Ideen. Foto: Raufeld Die TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens entwickelten zahlreiche Ideen. Foto: Raufeld Konstruktiver Austausch: zwei TeilnehmerInnen im Gespräch. Foto: Raufeld Die TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens entwickelten zahlreiche Ideen. Foto: Raufeld Die TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens entwickelten zahlreiche Ideen. Foto: Raufeld Ana Shalin Stoeckermann, Referentin für Partizipation bei der Gewobag. Foto: Raufeld Konstruktiver Austausch: TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens im Gespräch. Foto: Raufeld Die TeilnehmerInnen des Partizipationsverfahrens entwickelten zahlreiche Ideen. Foto: Raufeld Zufrieden: Partizipationsreferentin Ana Shalin Stoeckermann (l.) bei der Verabschiedung. Foto: Raufeld Tanja Borzel, ehemaliges Mieterbeiratsmitglied bei der Gewobag und seit zweieinhalb Jahren in der Gegend wohnhaft, würde sich mehr Sport- und Fitnessangebote wünschen. „Für ein Fitnesscenter sind die Räumlichkeiten vermutlich zu klein“, sagt sie, „aber vielleicht könnte man vor Ort Kurse anbieten, zum Beispiel für Yoga oder Pilates.“ Außerdem wäre sie an einem Kieztreffpunkt für Anwohner interessiert: „Ein Ort an dem man sich austauschen kann, eventuell in Verbindung mit einem Café, wäre sicher keine schlechte Idee.“ Letzteres würde Daniel Bansemer von der Stephanus-Stiftung davon abhängig machen, wie der Vorplatz zukünftig genutzt wird: „Wenn dort ein zentraler Platz entsteht, an dem sich Menschen gerne aufhalten, wäre eine gastronomische Nutzung durchaus vorstellbar.“ Man merkt: Es gibt als eine Vielzahl von unterschiedlichen Ideen für die Zukunft der „Neuen Pulverfabrik“. Einigkeit herrscht indes darüber, dass der Rundgang ein voller Erfolg war. Dr. Norbert Kopytziok, Bezirksverordneter der Grünen in Spandau und selbst Verfechter einer sozialen oder kulturellen Nachnutzung der Gebäude, spricht von einer „wunderbaren Veranstaltung“. Auch die anderen TeilnehmerInnen freuen sich über das Angebot der Gewobag und die Chance, am Prozess mitzuwirken. Jetzt Newsletter abonnieren und nichts mehr verpassen! E-Mail Ich stimme zu, dass die Gewobag mir per E-Mail den Newsletter zusendet und dabei die auf mich bezogenen Nutzungsstatistiken auswertet. Die Datenschutzerklärung habe ich gelesen. Meine Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Abonnieren Partizipations-Referentin Ana Shalin Stoeckermann ist glücklich über die rege Beteiligung und hebt nach der Veranstaltung das Engagement der TeilnehmerInnen hervor: „Innerhalb kürzester Zeit konnten wir sehr viele Ideen sammeln.“ Diese wurden sorgfältig dokumentiert, werden im Nachgang ausgewertet und ins Planungsverfahren miteinbezogen – naturgemäß unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und weiterer Anforderungen, etwa dem Denkmalschutz. Lost-Places-Touren mit AnwohnerInnen Damit nicht nur die lokalen Institutionen zu Wort kommen und auch die AnwohnerInnen beim Beteiligungsprozess dabei sein können, werden in den kommenden Wochen weitere Veranstaltungen stattfinden. „Wir haben uns zwei verschiedene Formate überlegt, um die AnwohnerInnen bestmöglich zu erreichen“, betont Stoeckermann. Dazu zählen Lost-Places-Führungen samt Workshops, bei denen Interessierte das Gelände erkunden können. Darüber hinaus wird die Gewobag mit dem sogenannten Dialograd, einem Lastenfahrrad vollgepackt mit Infos und Material, im Kiez unterwegs sein und Ideen einsammeln. Das Beteiligungsverfahren läuft noch bis September. Im Rahmen dessen wird die Gewobag auch mit potentiellen BetreiberInnen ins Gespräch kommen. Die Finalisierung der Nutzungskonzepte wird bis Oktober erwartet. Dann wird sich zeigen, ob das, was als Zeitreise in den Köpfen der Menschen begann, auch zu einer gebauten Gegenwart werden kann. Partizipationstermine an der WATERKANT Berlin An den folgenden Terminen wird die Gewobag mit dem Dialograd im Kiez unterwegs sein beziehungsweise Lost-Places-Führungen auf dem Areal der „Neuen Pulverfabrik“ anbieten: Dialograd im Quartier • am 20.07.: o Rewe: 13.30-16.00 o Café am Stadtplatz: 17.00-20.00 Lost-Places-Führungen • am 23.07.: 15 bis 17 Uhr • am 25.07.: 17 bis 19 Uhr Anmeldungen sind per E-Mail an partizipation@gewobag.de möglich. Weitere Informationen Titelfoto: Raufeld
„Neue Pulverfabrik“: Fast vergessenes Baudenkmal Die ehemalige „Neue Pulverfabrik“ ging im Jahr 1890 in Produktion. Vor Ort sollte ein rauchärmeres Schießpulver als in der benachbarten „alten Pulverfabrik“ hergestellt werden. Nach der Entmilitarisierung im Jahr 1919 wurde der Rüstungsbetrieb komplett eingestellt. In der Folge wurden die verbliebenen Gebäude unterschiedlich genutzt und gerieten zunehmend in Vergessenheit. Heute existieren nur noch das Maschinenhaus 8 und das Siebwerk 2. Beide sind denkmalgeschützt.
Partizipationstermine an der WATERKANT Berlin An den folgenden Terminen wird die Gewobag mit dem Dialograd im Kiez unterwegs sein beziehungsweise Lost-Places-Führungen auf dem Areal der „Neuen Pulverfabrik“ anbieten: Dialograd im Quartier • am 20.07.: o Rewe: 13.30-16.00 o Café am Stadtplatz: 17.00-20.00 Lost-Places-Führungen • am 23.07.: 15 bis 17 Uhr • am 25.07.: 17 bis 19 Uhr Anmeldungen sind per E-Mail an partizipation@gewobag.de möglich. Weitere Informationen
Hochhaus-Hingucker: Hier gehen Sanierung und Denkmalschutz Hand in Hand Stararchitekt Hans Scharoun schuf in der Reinickendorfer Rollbergesiedlung einst visionäre Baukunst, doch auch solche Ausnahmeobjekte zeigen irgendwann Alterserscheinungen. Nun wird das heutige Gewobag-Gebäude fit für die Zukunft gemacht – mit viel Liebe fürs Detail.
Vom Spandauer Talent zum Shootingstar der Nationalmannschaft Was für ein Aufstieg: Erst im März gab der Berliner Maximilian Mittelstädt sein Debüt im DFB-Team, aktuell stand er bei der Fußball-EM schon dreimal in der Startelf. Mit dem Kicken begonnen hat er im Gewobag-Kernbezirk Spandau. Über seine Wurzeln, wichtige Prägungen und den Wert von Vorbildern.