Drei Mädchen auf einer Netzschaukel - zwei stehend, eins in der Mitte liegend. Szenerie auf einem verschneiten Spielplatz. Foto: Moritz Eden/City-Press GmbH

Neugestalteter Spielplatz in Spandau: „Kinder sind die ultimativen ExpertInnen“

Mit Kids zum fertigen Konzept: Bei der Neugestaltung eines Spielplatzes im Spandauer Quartier Heerstraße Nord durften Kinder fleißig mitplanen. Partizipations-Referentin Ana Shalin Stoeckermann über einen spannenden Dialog und prägende Lerneffekte.    

„Gebt den Kindern das Kommando“ – gesungen ist die berühmte Herbert-Grönemeyer-Zeile ein Klassiker, doch gelebt wird sie in der „Erwachsenenwelt“ selten. Dass es auch anders geht, zeigt die Spielplatz-Aufwertung am Blasewitzer Ring im Gewobag-Quartier Heerstraße Nord in Spandau, denn hier waren acht Kids im Alter von acht bis zwölf Jahren integraler Bestandteil der Planung.

Ana Shalin Stoeckermann, Referentin für Partizipation im Bestandsmanagement der Gewobag, hat das Verfahren 2023 initiiert und gesteuert. Anlässlich der offiziellen Spielplatzeröffnung am Mittwoch (17. Januar 2024) blickt sie auf das gelungene Projekt zurück – und erklärt dessen besonderen Wert.   

Frau Stoeckermann, was war die Idee hinter der Kinderbeteiligung?

Die Perspektive der Kids ist anders als unsere Erwachsenensicht. Im Grunde sind sie die ultimativen Spielplatz-ExpertInnen, aber wenn es um die Planung geht, werden sie oft nicht gehört. Das liegt allein schon an der Organisation. Kinder würden sich ja nicht von selbst als „Interessensgruppe“ zusammenschließen und am Abend zu einer Partizipationsveranstaltung gehen. Sie müssen von uns aktiv eingebunden werden. 

Wie genau haben Sie das gemacht?

Wir hatten das Glück, dass es mit der Offenen Familienwohnung einen starken Partner vor Ort gibt, der für die Kinder eine feste Anlaufstelle ist. Durch die Quartierskoordinatorin der Gewobag besteht eine gute Verbindung zur Einrichtung. Über die dort tätigen MitarbeiterInnen der Casablanca gGmbH haben wir den Kontakt zu den Kids hergestellt und sie spielerisch abgeholt, um mit ihnen einen zweiteiligen Workshop durchzuführen. Erst haben wir eine gemeinsame Begehung auf dem Spielplatz veranstaltet, um zu verstehen, welche Bereiche für die Kinder bedeutsam sind. Danach sind im Austausch mit unserem Spielplatzplaner die Wünsche der Kids erarbeitet worden. Ganz wichtig dabei: Wir haben im Vorfeld einen klaren Rahmen abgesteckt.

Das heißt?

Kinder können schnell frustriert oder enttäuscht sein, deshalb haben wir ihnen am Anfang mitgeteilt, dass Spielplatzgeräte ausreichend Platz benötigen und auch einiges kosten, weshalb wir nicht alle Wünsche realisieren können. Dadurch sind keine falschen Erwartungen entstanden – das Stichwort „Spielplatzplanung“ kann ja durchaus die Fantasie anregen (lacht).

Wie war die Ausgangssituation?

Am Blasewitzer Ring existierte zwar schon ein Spielplatz, allerdings waren die Spielgeräte wegen fehlender Verkehrssicherheit vor längerer Zeit abgebaut worden. Vorhanden waren eine größere Sandfläche und eine Pergola mit überalterter Begrünung.

Ein Spielparadies sieht anders aus …

Ja, dabei ist der Bedarf an Spielflächen in diesem Quartier besonders groß. Im Rahmen des Aktionsprogramms „Sauberkeit und Sicherheitsempfinden in Großsiedlungen“ haben wir deshalb Fördergelder vom Bezirksamt Spandau und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen akquiriert, um das Lebensumfeld der Kinder zu verbessern. Vom Bezirksamt war festgelegt, dass in der Planung weitere AkteurInnen beteiligt sein sollen – in Bezug auf die Quartierssicherheit etwa die städtebauliche Kriminalprävention, angesiedelt beim Landeskriminalamt. Kinder aus der unmittelbaren Nachbarschaft mit ins Boot zu holen, war dann eine Initiative der Gewobag.

Was konkret haben Sie mit den Kids gemacht?

Schon die Ergebnisse unseres „Spielplatzparcours“ waren spannend. Die Kinder durften mit roten Fähnchen einzelne Stellen auf dem Spielplatz markieren, die sie „schön“, „doof“ oder „unsicher“ fanden. Dabei haben die Kinder viel zu diesen Orten erzählt – dadurch haben wir Potenziale erkannt, die wir vorher nicht gesehen haben.

Zum Beispiel?

Eine Gruppe größerer Steine war aus unserer Erwachsenensicht eher eine Stolper- und Verletzungsgefahr, für die Kinder hingegen war sie unter anderem ein Klassenzimmer. Einen besonders markanten, schrägen Stein haben sie zum „Spiderman-Spielen“ genutzt. Da haben wir verstanden: Okay, diese Orte müssen wir erhalten oder in ähnlicher Form wiederherstellen. 

Welche neuen Elemente haben sich die Kinder gewünscht?

Etwas zum Klettern, zum Schaukeln und zum Rutschen. Der Spielplatzplaner hat ihnen eine Reihe von Möglichkeiten aufgezeigt, die wir realisieren können. Im Austausch mit den Kids haben wir zum Beispiel gelernt, dass sie sich Spielgeräte aus Holz wünschen, statt aus Metall. Genauso benötigt ein Klettergerüst aus ihrer Sicht dringend eine Rutsche, damit man nach dem „Aufstieg“ eine Belohnung hat – also eine „rasante Abfahrt“. Besonders bemerkenswert fand ich, dass sie sich für eine Nestschaukel ausgesprochen haben, damit das Gerät auch von Kindern mit Behinderung genutzt werden kann.  

Konnten sich die Kinder überhaupt untereinander einigen?

Grundsätzlich schon, aber auf dem Weg gab es einige Aha-Momente. Für manche war es eine neue Erfahrung, gemeinsam zu einem Ergebnis kommen zu müssen, andere Meinungen zu hören und zu akzeptieren. Im Zweifel hat das Mehrheitsprinzip entschieden, insofern war es auch das Lernen eines demokratischen Prozesses.

Gab es Wünsche, die nicht realisiert werden konnten?

Eine ganz große Seilbahn, die von einer Ecke in die andere führen sollte. Das war leider weder räumlich noch aus Sicherheitsperspektive machbar.

Beim Blick auf den neuen Spielplatz fällt auf, dass es keine Tischtennisplatte gibt. Warum nicht?

In einer ersten Stufe der Beteiligung hatten Erwachsene dieses Element genannt, auch die Kinder hätten eine Tischtennisplatte auswählen können. Im Gespräch untereinander haben sie sich dagegen entschieden, weil eine Tischtennisplatte auch Jugendliche und Erwachsene anzieht, wodurch möglicherweise weniger Platz für die jüngeren Kids bleiben könnte. Daneben haben sie sich auch aus Platzgründen für andere, vielseitigere Spielelemente entschieden. Nicht zu vergessen: In der Umgebung sind schon Tischtennisplatten zu finden.

Porträtaufnahme von Gewobag-Mitarbeiterin Ana Stoeckermann. Foto: Aurelio Schrey
Ana Shalin Stoeckermann, Referentin für Partizipation im Bestandsmanagement der Gewobag. Foto: Aurelio Schrey

Wie zeitintensiv ist ein derartiger Prozess?

Von der Zusage der Fördermittel im Dezember 2022 über das Beteiligungsverfahren und die Entwurfsplanung bis zur Fertigstellung ist ziemlich genau ein Jahr vergangen. Das war für alle Beteiligten ein ganz schöner Sprint.

Sprechen wir über Geld. Was kostet so eine Spielplatzaufwertung?

Die Bau- und Nebenkosten belaufen sich auf 195.000 Euro. Dieses Geld haben wir über das Aktionsprogramm bekommen. Im Beteiligungsprozess mit den Kindern haben wir die Preise für die Spielgeräte übrigens dazugeschrieben, sodass sie ein Gefühl dafür bekommen, wie wertvoll die Dinge sind. Als sie gesehen haben, um welche Beträge es ging, sind sie ganz schön ins Staunen geraten.

Welche Rückmeldung gab es von den Kids?

Wir haben das Feedback direkt nach dem Workshop abgefragt, dabei durften die Kinder sagen, was super war oder zu kurz gekommen ist. Das Ergebnis: Sie fanden es großartig, dass sie ihr Umfeld aktiv mitgestalten durften. Von der Offenen Familienwohnung haben wir auch im Nachgang noch einmal gehört: Die Kinder sind auf das Ergebnis sehr stolz! 

Danke für das Gespräch!

Titelfoto: Moritz Eden/City-Press GmbH

MieterInnen gestalten mit

Bei Bauvorhaben setzt die Gewobag auf einen aktiven Dialog mit der Mieter- und Nachbarschaft. Durch unterschiedliche Partizipationsmaßnahmen werden Bedürfnisse und Interessen aufgenommen, die nach Möglichkeit in der Planung berücksichtigt werden. Ein aktuelles Beispiel liefert die Gestaltung eines Quartiersplatzes in der Wohnanlage Buckower Höfe: In drei unterschiedlichen Teilhabe-Formaten wurden hier vielfältige Zielgruppen involviert, um einen Ort zu kreieren, der möglichst allen BewohnerInnen Mehrwert bietet. Ana Shalin Stoeckermann betont: „Die Perspektive der Menschen vor Ort ist total wichtig.“

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