Ein Graffiti, viele Effekte: Kids bringen Farbe ins Quartier 5. August 2024Lesedauer: 4 Min. Artikel anhören Player schließen Aus Grau wird Wow! In Spandau haben Kinder und Jugendliche einen Hausdurchgang in ein identitätsstiftendes Kunstwerk verwandelt. Über eine bemerkenswerte Aktion mit vielfältiger Wirkung. An Grün mangelt es nicht – zumindest nicht im Sommer. Der benachbarte Spektegrünzug, ein Naherholungsgebiet im Spandauer Ortsteil Falkenhagener Feld, trägt die Farbe sogar im Namen, doch an den Gebäuden im Spekteweg sieht es etwas anders aus. Die Wohnsiedlung fällt eher durch ihre Größe ins Auge, als durch bunte Töne, allerdings gibt es neuerdings eine Ausnahme. Ein Hausdurchgang an der Nummer 48 sticht heraus. Seit Ende Juli sind die Wände hier aufwendig bemalt und mit positiven Botschaften verziert. „Make Love, Not War“, steht dort unter anderem – das Resultat einer speziellen Graffiti-Aktion im Quartier. Zwischen dem 22. und 25. Juli ließ sich beobachten, wie ein Künstler und mehrere Jugendliche den Hausdurchgang Stück für Stück verschönerten. „Die Kids durften ihre Namen mit ins Bild schreiben, damit sie sich wiederfinden“, erklärt Graffitikünstler Kariem Ramadan interessierten Passanten, „aber sie sollen auch sehen, dass Kunst harte Arbeit ist.“ Etwa dann, wenn es um die Grundbemalung der Wand geht, wo eher solides Handwerk gefragt ist. Eine der neu gestalteten Wände am Spekteweg. Foto: Felix Seyfert Zeitlose Botschaft: Love, not war (frei übersetzt: Liebe statt Krieg). Foto: Felix Seyfert Die TeilnehmerInnen der Aktion sind mit ihren Namen Teil des Bildes geworden: Foto: Felix Seyfert Die Gewobag hat die Aktion finanziell unterstützt. Foto: Felix Seyfert Neuer Hingucker: Die Wandbemalung im Hausdurchgang am Spekteweg 48. Foto: Felix Seyfert Eines der großen Wohnhäuser am Spekteweg. Foto: Felix Seyfert Graffiti-Aktion mit zeitlosen Botschaften Initiiert wurde die Graffiti-Aktion durch die Mobile Stadtteilarbeit und Stadtteilarbeit Falkenhagener Feld von „Sozial-kulturelle Netzwerke casa e.V.“ in Kooperation mit den Jugendtreffs von „Outreach“. Die Gewobag unterstützte das Projekt finanziell. Was nach viel Organisation klingt, hat einen konkreten Bezug zum Quartier. „Im Vorlauf der Aktion haben die Teams von Outreach und casa e.V. eine Umfrage gemacht, welche Themen die Mietenden beschäftigen“, erklärt Sophia Schäfer, Quartierskoordinatorin der Gewobag. Heraus kamen drei Begrifflichkeiten: Frieden, Gemeinschaft, Anti-Rassismus. Schlagworte, die der erfahrene Graffitikünstler Kariem Ramadan mit den Kids in ein Bild übersetzte. Neben dem Motiv hat Ramadan dabei auch den pädagogischen Wert im Blick. „Kunst ist eine Metapher fürs Leben, die viel vermittelt“, sagt er, „zum Beispiel, dass du Fehler machen musst, um besser zu werden.“ Nicht ohne Stolz zeigt er das Ergebnis und erläutert seine Idee. „Es soll nichts zu Politisches sein“, sagt der Graffiti-Experte. „Wir haben Säulen gemalt, einen U-Bahn-Tunnel und auf der U-Bahn steht die Botschaft ,Make Love, Not War‘, getragen von einer Taube.“ Nicht zu vergessen: Weil die Namen der TeilnehmerInnen Bestandteil des Bildes sind, sind die Kids im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar geworden. Graffitikünstler Kariem Ramadan bei der Arbeit. Foto: Felix Seyfert Bunte Spraydosen, mit deren Hilfe Farbe ins Leben kommt. Foto: Felix Seyfert Olaf Löschke, Clarissa Bremer und Esmiralda Vicovac (casa e.V.), Kariem Ramadan, Yusuf Astan (Outreach) und Kunsttherapeutin Sandra Klein (v. l.). Foto: Felix Seyfert Identifikation und Zusammenhalt „Es war eine coole Aktion“, sagt der elfjährige Mustafa, der um die Ecke wohnt und im Vorbeigehen sah, dass gemalt wurde. Schnell war die Neugier geweckt, rückblickend ist er froh über den frischen Input. Der zwölfjährige Üveys wurde von seinem Cousin animiert, mitzumachen: „Wir können viel malen, das macht echt Spaß.“ Andernorts im Quartier sind Häuserwände bekritzelt, meist mit Buchstaben in schwarzer Farbe. Das Graffiti-Projekt soll deshalb auch zeigen, dass es anders geht, nämlich koordiniert und besser. „Wir bieten einen legalen Raum, wo die Jugendlichen lernen, wie viel dahinter steckt“, sagt Clarissa Bremer von casa e.V., die mit ihrer Kollegin Esmiralda Vicovac an dem Konzept für die Aktion arbeitete. Der Ansatz: Wer über mehrere Tage viele Stunden gemeinsam an einem Projekt arbeitet, schafft damit auch Wertschätzung, Zusammenhalt und Identifikation mit dem Wohnumfeld. Zudem werde das fertige Graffiti in der Szene als Kunst akzeptiert und nicht einfach wieder übermalt. Jetzt Newsletter abonnieren und nichts mehr verpassen! E-Mail Ich stimme zu, dass die Gewobag mir per E-Mail den Newsletter zusendet und dabei die auf mich bezogenen Nutzungsstatistiken auswertet. Die Datenschutzerklärung habe ich gelesen. Meine Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Abonnieren Für Kinder unter zwölf ist parallel zur Graffiti-Aktion ein langer Tisch mit Malutensilien aufgestellt worden, betreut von der Kunsttherapeutin Sandra Klein. Getränke und Verpflegung stehen bereit, auch Frauen aus den Häusern rundherum setzen sich dazu. „Essen und Trinken sind oft der Türöffner, sie bringen Kulturen und Generationen zusammen“, sagt Vicovac. So wie ein gemeinsames Abschlussfest am Ende der Aktion, zur Präsentation der Graffiti. Ein Projekt, das viel Organisation und Planung erforderte, aber demnächst Schule machen könnte. „Nächstes Jahr können wir uns vorstellen, den nächsten Durchgang zu verschönern“, sagt Bremer. Jüngere TeilnehmerInnen arbeiteten im Projekt mit Stift und Papier. Foto: Felix Seyfert Jüngere TeilnehmerInnen arbeiteten im Projekt mit Stift und Papier. Foto: Felix Seyfert Kunsttherapeutin Sandra Klein (r.) mit Kindern am Maltisch. Foto: Felix Seyfert Aktivierung von Kids, Verschönerung des Quartiers Andernorts wird ähnlich gearbeitet. „Wir machen viel mobile, also aufsuchende Jugendarbeit“, erklärt Dorothee Lunemann von Outreach Spandau. Man betreibt Streetwork im öffentlichen Raum, dort, wo Jugendliche sich aufhalten. So wurden auch Kids in Jugendtreffs für die Aktion angesprochen. Bemerkenswert: Nicht nur bei Jungs stieß die Aktion auf Interesse. Bei etwa 15 TeilnehmerInnen sei das Geschlechterverhältnis gemischt gewesen. Künstler Ramadan war dabei überrascht, wie aufgeschlossen und wenig schüchtern sich die Kids zeigten: „Ich bin kaum hinterher gekommen mit der Aufgabenverteilung, so schnell wollten sie loslegen.“ Am Ende seien alle mit einem Lächeln nach Hause gegangen. „Das Projekt ist als Verschönerung gedacht, aber in erster Linie sollen die Kids aktiviert werden“, sagt Olaf Löschke, einer der Geschäftsführer von casa e.V. Ziel sei, sie zu „empowern“, also zu stärken. Mehrere der teilnehmenden Kids berichten, wie stolz sie sind, dass nun ihr Name an der Wand steht, darüber hinaus haben sie einen neuen Zugang zu Kunst bekommen. Wenn das Leben am Spekteweg so etwas mehr Farbe bekommen hat, ist das umso schöner. Titelfoto: Felix Seyfert
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