Eine Friseurin, die die blonde Lockenpracht einer Kundin im Friseursalon stylt. Die Kundin sitzt vor einem großen Spiegel.

Friseursalon „Hair Beetle“: Haarmonischer Rollentausch in Haselhorst

Mitarbeiterin wird neue Inhaberin, Ex-Chefin wird Angestellte: Im Spandauer Gewobag-Quartier zeigt sich, wie sich „Berliner Originale“ und neue Einflüsse perfekt ergänzen können. Über zwei unterschiedliche Frauen, eine gemeinsame Leidenschaft und viele glückliche KundInnen.

Mehr Beständigkeit geht kaum: Haare werden am Haselhorster Damm 5 schon seit über 50 Jahren geschnitten. Eine Konstanz, die nicht mit Stillstand zu verwechseln ist, denn Veränderungen gehören zu dem Spandauer Ladengeschäft wie Haartrends zur Friseurbranche, wenn auch weniger sprunghaft.

Für Viola Thunert war der helle Raum mit den großen Fensterfronten einst der Start in ihre Selbstständigkeit, dabei wollte die Friseurmeisterin, die bei Udo Waltz und Sergio Priori am Kurfürstendamm gelernt hat, gar keinen eigenen Laden haben – zumal sie Schauspielerin Inge Meysel und anderen prominenten Persönlichkeiten frisiert hatte.

Tolles Beispiel für „Die ganze Vielfalt Berlins“

„Ich habe meine Anstellung geliebt, aber mein Chef Sergio meinte, er könne mir nichts mehr beibringen und schlug mir die Selbstständigkeit vor“, erzählt sie. Auf der Suche nach einem Geschäft wurde sie bei den Gewerbeangeboten der Gewobag fündig und entschied, das Ganze für fünf Jahre im Ortsteil Haselhorst auszuprobieren. Das war im Jahr 2000. „Ja, es ist etwas mehr geworden“, sagt Viola Thunert lachend. „Die Kunden waren so nett und meine Angestellten auch.“

Inzwischen hat sie den Staffelstab weitergegeben, doch ein Teil des Salons ist sie geblieben. Seit Anfang dieses Jahres arbeitet Viola Thunert bei „Hair Beetle“ als Angestellte der neuen Inhaberin Parwana Azizi, ihrer vorherigen Mitarbeiterin. Ein Rollentausch – und zugleich ein tolles Beispiel dafür, wie wundervoll „die ganze Vielfalt Berlins“ zusammenwirken kann.

Bei „Hair Beetle“ wird der Claim der Gewobag auf eigene Art und Weise mit Leben gefüllt. Zwei Frauen unterschiedlicher Generationen und Herkunft, mit ganz unterschiedlichen Hintergründen auch, kreieren durch ihre gemeinsame Leidenschaft ein bereicherndes Miteinander. Entstanden sind dabei Synergieeffekte, von denen nicht nur Viola Thunert und Parwana Azizi profitieren, sondern auch die Kundinnen und Kunden.

Kennengerlernt haben sich die beiden Frauen 2024 bei einer Weiterbildung. „Parwana ist sehr ehrgeizig, das gefällt mir. Ich finde es gut, wenn junge Leute weitermachen“, sagt Viola Thunert, die sich aus gesundheitlichen Gründen zurücknehmen muss. „Wir Alten sind ja irgendwann weg.“

Neue Einflüsse und Techniken

Parwana Azizi nahm die neue Herausforderung gern an, zumal sie mit der Selbstständigkeit Erfahrung hat. In Teheran betrieb sie neben ihrer Arbeit als Friseurin zusammen mit ihrem Ehemann über mehrere Jahre eine Druckerei mit Grafikservice, war dort unter anderem für die Buchhaltung zuständig. Und klar: Bei ihrer neuen Unternehmung in Haselhorst hat die Gewobag die junge Unternehmerin gern unterstützt. So wurde bei mietvertraglichen Themen ein bestmöglicher Übergang ermöglicht.

Ihre Liebe zur Friseurmeisterei hat Parwana Azizi früh entdeckt. „Schon als ich klein war, wollte ich Friseurin sein. Ich habe meinen Barbie-Puppen immer einen Pony geschnitten“, erzählt sie. Später schenkte ihre Schwester ihr das Vertrauen für regelmäßige Haarschnitte, und bei Hochzeiten frisierte sie sogar die gesamte Familie und Freunde, bevor sie als 16-Jährige den Beruf erlernte.

Heute kommen die Kundinnen und Kunden von „Hair Beetle“ in den Genuss ihres Könnens, Oft kommen sie zu Fuß aus dem Quartier, reisen zum Teil aber auch aus Köpenick, Falkensee oder Lichtenberg an. „Ich wohne nicht mehr in Haselhorst, aber trotzdem nehme ich gerne jedes Mal den Weg von Lichtenberg auf mich“, schreibt Kundin Christin Göpfert in ihrer Google-Rezension.

„Parwana ist sehr ehrgeizig,
das gefällt mir. Ich finde es gut,
wenn junge Leute weitermachen.
Wir Alten sind ja irgendwann weg.“

Ex-Inhaberin Viola Thunert über
ihre Nachfolgerin Parwana Azizi

Parwana Azizi weiß, wie wichtig die Stammkundschaft ist, die Viola Thunert über die vergangenen Jahrzehnte aufgebaut hat. Manche kommen zum Schneiden, andere für Haarstyling, zum Färben oder zum Augenbrauenzupfen. Neuerdings bietet der Salon sogar noch eine weitere Leistung an.

Zu den frischen Impulsen von Parwana Azizi zählt die Haarentfernung mit Fadentechnik, die sowohl bei Augenbrauen als auch anderen feinen Gesichtshärchen Anwendung findet – natürlich nur, wenn die Kundinnen und Kunden es wünschen. Die Fadentechnik wird in Indien schon seit vielen hundert Jahren durchgeführt. Auch im Mittleren Osten hat Haarentfernung mit Faden eine lange Tradition. In Berliner Friseursalons gehört die Technik noch nicht zum Standardangebot. 

„Ich mag es, Ideen in die Welt zu bringen“, sagt Parwana Azizi. Dazu gehört auch eine ästhetische Webseite, die „Hair Beetle“ bislang noch nicht hat. Ihr ist klar, dass besonders junge Menschen sich heutzutage eher online über Friseurgeschäfte informieren. Gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden möchte sie Fotos erstellen, eventuell auch einen Instagram-Account. Außerdem plant sie die Terrasse auf der Rückseite des Ladens zu bepflanzen und mit einem Rasenteppich auslegen, um den Kundinnen und Kunden einen noch angenehmeren Aufenthalt zu ermöglichen. „Wir haben zum Beispiel zwei Stammkundinnen, die immer freitags kommen und aufeinander warten. So könnten sie im Sommer mit einem Kaffee in der Sonne sitzen“, sagt sie. 

„Hair Beetle“: KundInnen schätzen die Atmosphäre

Denn klar: Ein Friseurgeschäft ist immer auch ein sozialer Treffpunkt, im Fall von „Hair Beetle“ ist ein besonders schöner. Die gepflegten Grünpflanzen in der großen Fensterfront erzeugen eine angenehme Atmosphäre. Die beigefarbene Decke mit den eingebauten Spotlights sieht aus, als wäre sie erst vor kurzem frisch gestrichen worden; die Tapete mit rotbraunem Backsteinmuster bringt Wärme und Gemütlichkeit in den Raum, während die schwarzen Drehstühle mit den silbern glänzenden Füßen für Eleganz sorgen.

„Den meisten Leuten gefällt der Laden sehr gut“, erzählt Parwana Azizi, „sie sagen, er sieht so sauber, hell und offen aus. Das hat alles Frau Thunert gemacht.“ Wertschätzung und Respekt für ihre Vorgängerin sind deutlich spürbar. „Ich fühle mich auch nicht wie ihre Chefin“, sagt sie, während sie ein Wasser auf den Tisch stellt.

Überhaupt hat alles hier einen gewissen Stil, so bringt sie nicht einfach ein Glas Wasser, es ist angerichtet in einer kleinen geschwungenen Glasflasche und mit einem grün-weiß gestreiften Papierstrohalm dekoriert. Für Parwana Azizi ist klar: „Ich möchte, dass Menschen hier reinkommen und sich direkt wohlfühlen. Das war bei Frau Thunert auch immer so.“

Titelfoto: Britta Leuermann

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