Berlin im Winter: Ein kleiner Junge sitzt auf den Schultern eines Mannes, er trägt eine Mütze und zeigt mit dem Finger hoch, im Hintergrund sind Bäume. Foto: Picture Alliance

Raus aus dem Haus: Naturabenteuer im Berliner Winter

Berlin im Winter ist grau und trist? Vielleicht! Aber deswegen nur drinnen bleiben? Auf keinen Fall! Die Stadtnatur-RangerInnen zeigen, wie viel es in der Natur auch zur kalten Jahreszeit zu entdecken gibt – und das mitten in Charlottenburg.

Der Wind wirbelt eisige Tropfen durch die Luft und pustet letzte Laubreste über den Weg. An ungemütlichen Tagen wie diesen könnten sich Eltern und Kinder bequem mit einem Buch auf dem Sofa einkuscheln. Aber wo bliebe da das Abenteuer? „Es ist immer super, mit Kindern rauszugehen. Viele wissen gar nicht mehr, wie es ist, Kälte im Winter am eigenen Körper zu erleben“, sagt die Berliner Stadtnatur-Rangerin Astrid Kinateder. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Ina Wollstadt ist sie für die Stiftung Naturschutz Berlin regelmäßig in Schutzgebieten im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf unterwegs.

Beide behalten im Blick, wie es Flora und Fauna auf Grünflächen wie dem Volkspark Jungfernheide und in den Wohngebieten drum herum geht. Denn Stadtnatur fängt nicht erst im Park an, sondern schon vor der eigenen Tür.

Die Natur wartet direkt vor der Haustür: Noch auf einer Straße gibt Stadtnatur-Rangerin Ina Wollstadt die ersten Tipps, um Tier- und Pflanzenwelt zu erkunden. Foto: Luna Bas/raufeld

Vogelnester entdecken und deuten

Wer sich auf das Wagnis Winterspaziergang einlässt, kann gleich an der eigenen Fassade anfangen. Die Rangerinnen deuten auf eine Hauswand mit Nistkästen und rätselhaften Löchern. In die Nistkästen ziehen bald wieder Spatzen und Mauersegler ein. Aber wer steckt hinter den Löchern? Wahrscheinlich war es ein Buntspecht. „Die Spechte lassen sich jetzt wunderbar beobachten, weil sie früh auf Partnersuche gehen“, sagt Ina Wollstadt. Auch ihr typisches Trommeln auf Totholz ist vor allem in den Wintermonaten zu hören.

Berlin im Winter: Eine Gruppe Menschen steht im Wald, im Vordergrund ist eine Frau mit Wollmütze und Regencape, die sich mit beiden Händen ein Fernglas vor die Augen hält.
Ein Fernglas ist ein guter Begleiter für eine Ausflug in die Natur, um Vogelnester und Vögel zu erspähen. Foto: Luna Bas/raufeld

„Gerade im Winter, wenn kein Laub an den Bäumen ist, kann man auch gut Horste von Greifvögeln und viele andere Nester entdecken“, sagt Astrid Kinateder und zeigt auf ein Nest hoch oben im Baum, das ein kleines Dach hat. Das heißt: Es war wohl eine Elster am Werk. Besteht es nur aus wenigen Zweigen, könnte es eine Ringeltaube gewesen sein. Die gelten nicht ganz zu Unrecht als faul beim Nestbau. Doch nicht nur der Blick nach oben lohnt sich, sondern auch der nach unten.

Pfotenabdrücke suchen – das geht sogar ohne Schnee

Im Volkspark Jungfernheide flitzt ein Eichhörnchen den Baum hinauf. Menschen sind bei Wind und Regen nur wenige unterwegs. Die beiden Rangerinnen gehen am Teich entlang und achten genau auf den Uferrand.

Am besten lassen sich Tierspuren im frisch gefallenen Schnee lesen, sagt Ina Wollstadt: „Aber auch im Schlamm oder Sand sieht man Abdrücke von Kaninchen, Hasen, Wildschweinen oder Füchsen.“ Aber Achtung: Fuchsspuren sind nicht leicht von Hundespuren zu unterscheiden. 

Winter in Berlin: Auf einer ausgestreckten Frauenhand liegt der Schädelknochen eines Kaninchens.
Stadtnatur-Rangerin Astrid Kinateder hat einen Kaninchenschädel gefunden. Solche Funde dürfen nur die Expertinnen anfassen, Kinder und Erwachsene sollten das nicht tun. Foto: Luna Bas/raufeld

Einen guten Einstieg ins Spurenlesen können junge NaturdetektivInnen mit Spuren von Waschbären machen, sagt Astrid Kinateder: „Die sehen aus wie kleine Abdrücke von Händen mit Fingern dran. An Gewässerufern muss man nur die Augen aufmachen und hat schon eine Spur entdeckt.“

Ein Stück weiter bleiben die Rangerinnen vor einem umgefallenen Baum mit abgenagter Rinde stehen, dessen Stamm ins Wasser ragt. Wer steckt wohl dahinter?

Fraßspuren und was sie verraten

Klarer Fall, das war ein Biber. Der fällt Bäume vor allem im Winter, wenn andere Nahrung knapp ist. Wer weiter sucht, findet aber auch Fraßspuren von anderen Tieren: „Aufgeknackte Nüsse von Mäusen oder Eichhörnchen oder aufgehackte Zapfen von Spechten“, erklärt Ina Wollstadt. Denn manche Vögel wie zum Beispiel Meisen, die im Sommer überwiegend Insekten fressen, weichen im Winter auf Körner, Samen oder Beeren aus.

Am Ufer erklärt Astrid Kinateder wie man Spuren liest. Foto: Luna Bas/raufeld

Um die Tiere noch besser zu verstehen, kann auch das Eichhörnchen-Spiel helfen. Hier gilt es, in die Rolle eines Eichhörnchens zu schlüpfen, das seine Wintervorräte unter Baumwurzeln oder Blättern verbirgt. Dabei müssen die Kinder jeweils zehn Nüsse einzeln verstecken und nach einer gewissen Zeit versuchen, alle wiederzufinden. Apropos Bäume und Blätter: Echte Natur-Profis sollten sich natürlich auch mit Pflanzen auskennen.

Bäume bestimmen – auch ohne Blätter im Winter

Zu einer echten Challenge wird es, einen Baum zu erkennen, wenn im Winter die Blätter fehlen. Aber Astrid Kinateder hat einen Trick auf Lager: „Da kann ich gucken: Welche Blätter und Baumfrüchte liegen unter dem Baum, oder welche Struktur hat die Rinde?“

Spannend ist es auch, die Nadelbäume genauer unter die Lupe zu nehmen: Wie unterscheidet sich eigentlich die heimische Kiefer von der meist angepflanzten Fichte? Ein Tipp: Darauf achten, welche Form die Zapfen haben und wie lang die Nadeln sind. Heimische Arten kommen übrigens anders als viele Zierpflanzen mit Nässe und Kälte auch ohne den Menschen gut zurecht. Gleiches gilt für die Tiere. Falsch umgesetzte Tierliebe kann sogar Ärger bringen.

Was brauchen die Tiere im Winter von uns?

Wildtiere zu füttern, ist verboten, betonen die Rangerinnen. Sonst kommt es im Innenhof zu einer Kaninchenplage oder zu Problemen am Ufer, sagt Astrid Kinateder: „Es gibt dann mehr Wasservögel, als das Gewässer verträgt, die Wasserqualität wird immer schlechter, es vermehren sich Krankheitserreger.“ Auch wichtig am Wasser: Wenn der Familienhund auf dem Spaziergang mit dabei ist, sollte er angeleint sein, um die Wildtiere nicht aufzuschrecken. 

Winter in Berlin: Auf grünem Moos steht eine Person in Wanderschuhen und Wanderhose.
Von wegen Grau in Grau: Das Moos strahlt auch im Winter grün. Foto: Luna Bas/raufeld

Gegen kalte Finger und Zehen hilft am Ende des Spaziergangs, Ausschau nach den ersten Frühlingsboten zu halten. „Eine spannende Pflanze ist die Haselnuss, die fängt teilweise schon im Januar an zu blühen“, sagt Astrid Kinateder. Und Ina Wollstadt ergänzt: „Die Hummeln sind die ersten Wildbienen, die rauskommen, und da ist die Hasel als Pollenlieferant ein ganz wichtiger Nahrungsfaktor.“

Wenn sich jetzt auch der menschliche Magen meldet: Nach dem aufregenden Winterspaziergang macht die Sofazeit mit Kuscheldecke und Kakao umso mehr Spaß.

Titelbild: picture alliance/Shotshop | Monkey Business 2

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