Vier junge Mädchen stehen auf einer Bühne. Zwei von ihnen lächeln in die Kamera und machen mit ihren Händen. Peace-Zeichen. Foto: Giovanna Gahrns

Mit Rap ins Rampenlicht: Hip-Hop-Projekt stärkt Jugendliche in Tegel-Süd

Alltagserlebnisse werden zu Texten, aus Frust wird Energie: In einem Rap-Workshop der Gewobag und ihrer Stiftung Berliner Leben lernen Kids, wie sie ihren eigenen Sound kreieren. Über ein Projekt, in dem es um weit mehr geht als Musik.

Nicht jeder Mensch fühlt sich im Rampenlicht wohl, zumindest nicht auf Anhieb. Dass das Spotlight in diesem Fall „nur“ auf die Bühne des Jugendzentrums Metronom in Tegel-Süd scheint, ändert daran wenig – Auftritt bleibt Auftritt, Aufregung bleibt Aufregung. Ziemlich normal in einer neuen, ungewohnten Situation.

Dass einigen der Jugendlichen eine gewisse Zurückhaltung anzumerken ist, als sie performen sollen, verwundert daher nicht, doch schon bald wird sich dieses Bild ändern. Denn: Die zehn- bis 18-Jährigen werden von zwei erfahrenen Rappern angeleitet. Beide halten die Finger hinter die Ohren, heben die Arme, nicken mit. Gesten, die sagen: Gebt uns mehr, das ist gut, wir wollen euch hören!

Ein Erwachsener (mit dem Rücken zur Kamera) steht vor einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die auf einer Bühne stehen. Foto: Giovanna Gahrns
Mutmacher: Das Rap-Duo „Global Origins“ haucht den Workshop-TeilnehmerInnen Selbstvertrauen ein. Foto: Giovanna Gahrns

Wenig später trauen sich die Kids, nach vorn zu treten. Sie singen ihren selbst geschriebenen Song, dessen Refrain auf ihren Migrationshintergrund anspielt.„Discrimination is bad, bad, bad. How do you feel being rejected? Wir werden ständig belächelt“, heißt es da über Diskriminierung und Zurückweisung. Alltagserfahrungen, die den Jugendlich altbekannt sind – neu ist indes, dass sie diese Erlebnisse in prägnante Worte fassen und so zum Thema machen.

Gelungene Vernetzung

Einen wichtigen Impuls dafür haben die Rap-Workshops des „Summer Camp“ gegeben, der vom 13. bis 16. August stattfand. Das Ferienangebot zählte zu den vielfältigen Aktionen des HipHopHub, einem Projekt der Gewobag-Stiftung Berliner Leben. „Musik kann Kinder wahnsinnig empowern, also stärken“, sagt Projektleiterin Gina Maria Mund, die Hip-Hop-Kultur sei zudem „leicht zugänglich für Kinder und Jugendliche und stößt auf ihr Interesse.“

„Das waren die besten Lehrer,
die wir je hatten!“

Andrea, Workshop-Teilnehmerin

Dieselben Vorteile sieht auch Silke Jensen. Die Quartierskoordinatorin der Gewobag in Tegel-Süd initiierte das Kooperationsprojekt und stellte über das landeseigene Wohnungsunternehmen die Finanzierung sicher. „Eine Gruppe, für die seit Jahren Angebote vor Ort fehlen, sind Jugendliche. Die Idee war, Jugendliche zu erreichen, die wir sonst nicht erreichen.“ Also ein Angebot für sie zu schaffen, das sie reize, wo ihnen Handwerkzeug mitgegeben werde, um Gefühle und Erlebnisse in Worte zu packen.

MitstreiterInnen waren schnell gefunden, sei es in der Kooperationspartnerin Berliner Leben, dem Jugendtreff Metronom oder dem Rap-Duo „Global Origins“, das regelmäßig Workshops und Coachings mit Jugendlichen durchführt. „Global Origins sind gut vernetzt in den Berliner Kiezen, schreiben gesellschaftskritische Texte und behandeln Themen wie Rassismus, die Jugendliche bewegen“, erklärt Koordinatorin Silke Jensen.

Ein Erwachsener sowie fünf Kinder und Jugendliche stehen bei einem Rap-Workshop in einem Kreis. Foto: Giovanna Gahrns
Lockere Atmosphäre: Kids und Jugendliche während des Workshops mit Rapper Selim. Foto: Giovanna Gahrns

Vier Tage lang gab es je von 12 bis 16 Uhr Workshops in Rap, Beat-Produktion und Performance, dazu warmes Mittagessen, alles kostenlos. Zehn TeilnehmerInnen aus ganz Berlin waren am Ende dabei, darunter drei Geflüchtete.

Neue Ausdrucksformen, neues Selbstbewusstsein

Wie gut ihnen das Angebot tat, zeigt ein Besuch vor Ort am letzten Tag: Im mehrstöckigen Jugendtreff mit Bühne und Tonstudio sitzen die TeilnehmerInnen gerade beim Essen. Den Vormittag über haben sie noch am gemeinsamen Song gefeilt, zusammen ein Plakat gemalt. „Die Kids lernen nicht nur, sich auszudrücken, sondern auch ganz neue Ausdrucksformen“, erklärt K‘Sino, eine Hälfte der „Global Origins“. Sein Rap-Partner Selim ergänzt: „So haben wir Rap auch selbst kennengelernt. Man lernt: Ich kann etwas, es macht mir Spaß, ich möchte das weitermachen.“

Die beiden wollen, dass ihr Einsatz nachhaltig ist, also dass die Jugendlichen weiter Musik und Texte schreiben. „Mich hat wie bei jedem Workshop diese Energie überrascht“, sagt Selim, „die meisten haben noch nie vor einem Mikro standen, geschweige denn auf einer Bühne, aber nach drei Tagen war der Song schon im Kasten.“ Vor allem beeindruckt sie, wie die anfangs noch schüchternen Kids aufblühen.

Ein Erwachsener und ein Jugendlicher blicken während der Arbeit in einem Tonstudio gemeinsam auf eine Zettel. Foto: Giovanna Gahrns
Beats bauen und an Texten feilen: Während des Workshops wurde auch im Tonstudio gearbeitet. Foto: Giovanna Gahrns

Und die Themen, mit denen sich die Teenager beschäftigen? „Sie suchen sich als Thema Stress aus“, staunt K‘Sino. „Unsere Generation hatte auch mal Stress in der Schule, aber heutzutage ist das für die Kids ein anderer Stress. Mobbing ist ganz anders als früher, das verfolgt dich auf Social Media.“ Dann ist die Pause vorbei und die Kids sollen nun an ihrer Performance auf der Bühne arbeiten.

Am Anfang erinnert noch vieles an den selbst gewählte Bandname: „Die Chaoten“. Die vier jüngeren Jungs scheinen unruhig, die vier Mädchen schüchtern, zwei ältere Jungs stehen eher cool am Rand. Doch nach und nach gelingt es K‘Sino und Selim, jeden auf die Bühne und zum Vorrappen zu holen. Die Rap-Coaches ermuntern, sich zu trauen und ermahnen die anderen, leise zu sein und zuzuhören.

Erste Aufnahme im Tonstudio

Zwar ist zum jetzigen Zeitpunkt noch kein Publikum da, aber Tipps gegen Lampenfieber gibt es trotzdem schon mal: „Wenn du nervös bist, stell‘ den Fuß raus und schau erst mal da hin, so mache ich das auch immer.“ „Ich will sehen, dass ihr Spaß habt. Stellt euch vor, ihr seid alleine im Zimmer.“ „Das Wichtigste ist, dass du dich getraut hast.“ Nach und nach überwinden die Jugendlichen ihre Hemmungen, werden lauter und verschaffen sich Gehör. Am 14. September treten die Workshop-TeilnehmerInnen beim Straßenfest in Tegel-Süd auf.

Einige rappen über Leichtes wie Liebe und Fahrradfahren, aber auch schwere Themen und echte Talente kommen zum Vorschein. „Was guckt ihr so, wir sind nicht im Zoo, wir sind hier, aber keiner von ihnen“, reimt ein Jungs-Trio. „So schlimme Bilder im TV, aber wir gehen über Grenzen hinaus“, rappt ein Mädchen mit Baseballkappe fast wie ein Profi, „zusammen vereint, gegen Rassismus.“

Ein Mädchen mit Kopfhörern auf dem Kopf steht bei Gesangsaufnahmen in einem Tonstudio vor einem Mikrofon. In der Hand hält sie einen Zettel. Foto: Giovanna Gahrns
Der erste Hit ist im Kasten: Die Workshop-TeilnehmerInnen konnten ihren ersten eigenen Song produzieren. Foto: Giovanna Gahrns

Was nach Abschlussbesprechung und -foto bleibt? Vor allem die Begeisterung der Kids. „Ich fand es geil“, sagt etwa Andrea, 13, das Mädchen mit der Kappe. Sie habe gelernt, wie anders man mit Mikro klinge und auf den Beat zu rappen – „das waren die besten Lehrer, die wir je hatten!“ Mit Rap wollen sie und ihre Freundinnen auf jeden Fall weitermachen. Und ihren ersten „Hit“ haben sie schon mit nach Hause genommen. So wie die anderen Workshop-TeilnehmerInnen konnten sie einen eigenen Track im hauseigenen Tonstudio aufnehmen.

Titelfoto: Giovanna Gahrns

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