Porträt in der Halbtotalen von Ines Schenke unter einem Baugerüst

Modernisieren – auch in Krisenzeiten

Lieferengpässe, steigende Kosten, neue Klimaschutz-Vorgaben: Nie war die Instandhaltung von Gebäuden so herausfordernd und zugleich so wichtig wie heute. Ines Schenke verantwortet die Bestandsinvestitionen der Gewobag – und bleibt trotz vieler Hürden optimistisch.

Stillstand ist keine Option. Um den BerlinerInnen zeitgemäßen und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, investiert die Gewobag fortlaufend in ihren Gebäudebestand. Unter den mehr als 74.000 Wohnungen des Unternehmens befinden sich dabei Objekte aus allen Bauzeitaltern, angefangen bei der Gründerzeit.

Instandhaltung und Modernisierung kommen deshalb eine immense Bedeutung zu, denn klar ist: Nur zu verwalten, reicht nicht aus – mit den Gebäuden wird auch die Zukunft der Stadt und ihrer BewohnerInnen gestaltet.

Die Architektin Ines Schenke verantwortet mit ihrer Abteilung die Bestandsinvestitionen der Gewobag und sieht sich im großangelegten Modernisierungs-Marathon (allein in der Instandhaltung befinden sich mehr als 100 Projekte in Arbeit) aktuell mehr Herausforderungen denn je gegenüber.

Im Interview spricht sie über die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, die noch immer spürbaren Folgen der Corona-Pandemie und ehrgeizige Klimaziele.

Frau Schenke, die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben auch große Auswirkungen auf die Baubranche. Wie stark spüren Sie diese Krisen? 

Ines Schenke: Wir befinden uns in einer enorm herausfordernden Situation, die es so noch nicht gab. Momentan kommen verschiedene Umstände zusammen, die einerseits mehr Planung erfordern und zum anderen die Kosten erhöhen.

Was heißt das konkret?

Ines Schenke: Bei fast allen Firmen, die wir beauftragt haben, zeigt sich ein ähnliches Bild: Preise, die vor zwei Jahren verhandelt wurden, können meist nicht mehr gehalten werden, zum Teil hat sich der Materialpreis verdoppelt. In der Folge geraten einige Unternehmen derart in Not, dass ihre Geschäftsgrundlage durch eine unvorhersehbare Situation gefährdet ist. Mit einem derartigen Szenario waren wir bislang noch nicht konfrontiert.

Wie gehen Sie mit dieser Situation um?  

Ines Schenke: Wir verhandeln mit Baufirmen und Planern nach, inwieweit die Gewobag die Preissteigerungen mittragen kann – allerdings nur, wenn unsere Auftragnehmer die gestiegenen Kosten zweifelsfrei nachweisen können. Als verantwortungsvoller Bauherr wollen wir diese Krise abfedern und das unternehmerische Risiko unserer Partnerbetriebe ein Stück weit teilen. Und klar ist auch: Bei einem offenen Dach können wir die Bautätigkeit nicht plötzlich aufgrund gestiegener Kosten einstellen.

„Wir sind gewillt, in dieser Krise
als verantwortungsvoller Bauherr
das unternehmerische Risiko
unserer Partnerbetriebe
ein Stück weit zu teilen.“

Ines Schenke

Neben den Kosten erhöht sich auch ein zweiter wichtiger Faktor: die Zeit. 

Ines Schenke: Richtig. Grundsätzlich haben wir bei reinen Instandhaltungsmaßnahmen – also zum Beispiel Dach-, Fassaden- oder Balkoninstandsetzung – noch immer das Ziel, mit einem Jahr Planung und einem Jahr Realisierung auszukommen. Durch Lieferengpässe, Materialpreissteigerungen oder den aktuellen Fachkräftemangel lässt sich das zum Teil aber nicht mehr umsetzen. Und das sind noch nicht alle Herausforderungen.

Was meinen Sie?

Ines Schenke: Auch die Pandemie wirkt sich nach wie vor aus. Menschen werden häufiger krank und sind damit vorübergehend arbeitsunfähig, zudem sind Lieferketten unterbrochen, da insbesondere in Asien noch viel strengere Corona-Regeln gelten.

Ein weiterer Punkt sind die neuen Klimaziele. Wir prüfen inzwischen bei jedem Dach, ob eine Photovoltaik-Anlage installiert werden kann, denn inzwischen wird dies auch vom Gesetzgeber gefordert. Unter Umständen muss in solchen Fällen erstmal das Tragwerk ertüchtigt werden. Ein Vorgang, der zusätzlich Zeit in Anspruch nimmt, genauso wie die damit einhergehende Abstimmung mit dem Milieu- oder Denkmalschutz.

Stichwort Energie: Durch den Krieg in der Ukraine hat das Thema eine völlig neue Dimension erhalten.

Ines Schenke: Tatsächlich müssen wir dadurch Anlagen wie Gasbrennwertkessel oder Blockheizkraftwerke kritisch hinterfragen. Was ist mit dem Gas? Woher kommt es in Zukunft? Können wir uns vielleicht an einer Biogas-Anlage beteiligen oder neue Gaslieferanten finden? Auch das Heizen mit grünem Strom könnte eine Alternative sein, genauso wie die Nutzung von Erdwärme.

eingerüstetes Haus Seelowerstraße 2
Wohnen mit Aussicht: umfassende Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie Neubau von Dachgeschosswohnungen in der Seelower Straße 2 in Prenzlauer Berg.

Wie viele Projekte betreut das Team „Bestandsinvestition“ aktuell?

Ines Schenke: Das sind bei uns zwei große Felder. Das eine ist die oben angesprochene geplante Instandhaltung, Maßnahmen, bei denen einzelne Bauteile erneuert oder instand gesetzt werden. Davon haben wir aktuell über einhundert in Arbeit.

Der zweite große Aufgabenbereich ist die Modernisierung, also die komplexe Sanierung, bei der wir auch Neues schaffen. Es werden Wohnungsgrundrisse umgebaut, angepasst, die Haustechnik komplett erneuert, neue Balkone angebaut, Aufstockungen gemacht und Dachgeschosse ausgebaut. In Berlin gibt es kaum noch freie Flächen und wir versuchen, soweit es möglich ist, aufzustocken und auszubauen. So schaffen wir neuen Wohnraum, ohne dass wir Fläche verbrauchen. Beispiele finden sich im Wohnpark Mariendorf oder den Buckower Höfen.

„Ab 2023 werden wir bestimmte,
auf den Bestandsschutz zugeschnittene
Klimaschutz-Maßnahmen umsetzen.“

Ines Schenke

Inwieweit gehören die Modernisierung der Haustechnik und ein zeitgemäßer Umbau von Wohnungsgrundrissen zusammen?

Ines Schenke: Die Bewegungsflächen in Gründerzeitbauten entsprechen nicht mehr den heutigen Maßstäben, deshalb gehört der Umbau der Grundrisse einfach dazu, um zeitgemäßes Wohnen zu ermöglichen.

Wie sieht dieses zeitgemäße Wohnen aus? 

Ines Schenke: Es gibt heute einen riesigen Bedarf an Ein- und Zweizimmer-Wohnungen für Singles, Familienwohnungen sehen inzwischen ebenfalls anders aus. Wir versuchen, Küche und Wohnraum zu einer Einheit zu verbinden, denn die Küche ist oft der Mittelpunkt des Familienlebens und sollte der schönste Raum mit dem besten Licht sein. Die gute Stube von früher hat ausgedient.

3D-Illustration der Wohnsiedlung Wohnpark Mariendorf
Wohnpark Mariendorf: Durch die Modernisierung von 734 Wohnungen hat die Gewobag die CO2e-Emissionen des Quartiers von rund 30 kg pro Quadratmeter und Jahr auf weniger als 10 kg reduziert. Das Quartier entspricht somit den Anforderungen der Klimastrategie des Unternehmens für einen klimaneutralen Bestand in 2045.

Bis 2045 sollen nahezu alle Gebäude klimaneutral sein. Mit welchen Maßnahmen ist das zu schaffen?

Ines Schenke: Für neue Gebäude gibt es bei der Gewobag den KfW-55-Standard „Effizienzhaus“. Klar ist aber auch für den Bestand: Wir müssen etwas unternehmen, sei es bei den Dämmungen, den Verglasungen, bestimmten Baustoffen, vor allem aber auf der Seite der Energieversorgung und -erzeugung. Und wir sind bei der Gewobag auf einem guten Weg. Die gesetzliche Pflicht, Dächer – wo möglich – mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten, setzen wir konsequent um.

Zudem entwickeln wir unseren eigenen Klimapfad. Ein denkmalgeschütztes Gründerzeitgebäude muss anders behandelt werden als ein Neubau, daher brauchen wir sehr differenzierte Ansätze. Ab 2023 werden wir bestimmte, auf den Bestandsschutz zugeschnittene Klimaschutz-Maßnahmen umsetzen.

Wir stecken in unsere Projekte viel Herzblut.
Ganz besonders gilt das für den Klimapfad,
weil alle wissen,
dass es dazu keine Alternative gibt.“

Ines Schenke

Frau Schenke, Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie und Ihr Team die vielen Herausforderungen meistern werden?

Ines Schenke: Unter anderem die Gespräche mit meinen MitarbeiterInnen. Dort höre ich immer wieder: Die Arbeit macht uns Spaß, wir haben ein tolles Team und bei der Gewobag super Rahmenbedingungen. Die MitarbeiterInnen sind also sehr motiviert – egal, wie die äußeren Umstände sind. Wir stecken in unsere Projekte viel Herzblut. Ganz besonders gilt das für den Klimapfad, weil alle wissen, dass es dazu keine Alternative gibt.

Die wirtschaftlichen Hürden sind dadurch noch nicht genommen. 

Ines Schenke: Bei manchen Dingen muss ich zugeben: Manchmal habe ich nicht gleich eine Idee, wie wir etwas hinkriegen, dafür sind die Umstände derzeit auch zu ungewiss. Wir wissen nicht, wann oder wie der Ukraine-Krieg endet. Wir wissen nicht, wo es mit den Baukosten hingeht. Was ich aber weiß, ist, dass man bei uns im Haus für aktuelle Projekte immer eine gemeinsame Lösung findet. Klar ist allerdings auch: Klimaneutralität im Bestand ohne entsprechende Fördermittel und Umlagen auf die Miete wird nicht finanziell leistbar sein. Hier sind Politik und Verwaltung gefragt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Fotos © Nikolaus Brade, Johannes Schneeweiß, Gibbins Architekten GmbH BDA

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