Das Gute vom Wegesrand: Wildkräuter sammeln in und um Berlin

Exotische Superfoods wie Chiasamen und Gojibeeren sind gefragt wie nie, dabei hat die heimische Flora teils viel Gesünderes zu bieten – und das sogar in der Großstadt. Was Wildkräuter so besonders macht, wo sie zu finden sind und wie sie sich einfach zubereiten lassen.

Auch wenn der Gedanke an den Druiden Miraculix aus den Asterix-Abenteuern naheliegt: Nein, Wildkräuter zu bestimmen, ist kein Hexenwerk. Brennnesseln etwa kennt jedes Kind – spätestens, wenn die Blätter zum ersten Mal schmerzhafte Quaddeln auf der Haut hinterlassen haben. Wie gesund und lecker die Brennnesselblätter sein können, wenn sie auf die richtige Weise zubereitet werden, wissen hingegen selbst viele erwachsene WaldspaziergängerInnen nicht.

Wilde Brennnessel enthält etwa doppelt so viel Eisen und sogar sechs Mal so viel Kalzium wie frischer Spinat. Auch Magnesium, Zink, Kalium sowie Vitamin A und C stecken in den Blättern der Pflanze. Kurzum: Durch ihre Nährstoffdichte ist die Brennnessel eine hervorragende Ernährungsbegleiterin, um Infekte abzuwehren.

Wer bereits kränkelt, kann sie darüber hinaus auch als Heilpflanze anwenden. Ein Tee aus Brennnesseln kann zum Beispiel Blasenentzündungen kurieren, da die Pflanze entwässernd und antimikrobiell wirkt.

Kräuter sammeln: Großaufnahme der mit Handschuhen geschützten Hände einer Person, die eine Brennnessel abschneidet. Foto: Zbynek Pospisil / Getty Images
Beim Sammeln von Brennnesseln empfiehlt sich das Tragen von Handschuhen. Foto: Zbynek Pospisil / Getty Images

In Laborstudien ließ sich zudem nachweisen, dass die Pflanze die entzündlichen Prozesse bei Heuschnupfen mindern kann. Und selbst bei Rheuma und Arthritis empfiehlt die WHO eine begleitende Therapie mit Brennnesseln – die Brennhaare sorgen bei Berührung offenbar nicht nur für schmerzende Quaddeln, sondern auch für eine bessere Durchblutung, was wiederum Gelenkschmerzen lindern kann.

Warum es lohnt, Kräuter zu sammeln

Über die positiven Effekte von Wildkräutern ist allerdings wenig bekannt, stattdessen gilt das, was am Wegesrand grünt und blüht, oft als Unkraut, das sich unkontrolliert ausbreitet, ohne Nutzen zu bringen. Weit gefehlt, wie die Berliner Wildkräuterexpertin Anne Schmidt-Luchmann erklärt: „Alle krautigen Pflanzen, die um uns herum wachsen, lassen sich als Wildgemüse, Medizinpflanzen und Küchenkräuter verwenden.“

Als Wildkraut gilt dabei jede Pflanze, die nicht aktiv angepflanzt oder ausgesät wurde. Gerade diese Vernachlässigung tut den Kräutern gut: „Da niemand sie hegt und pflegt sind sie den natürlichen Gegebenheiten wie Hitze, Kälte, Trockenheit oder Nässe jederzeit ausgesetzt“, sagt Schmidt-Luchmann. „Das macht sie kräftiger und treibt ihre Wirk- und Geschmacksstoffdichte in die Höhe.“

Ein gutes Beispiel dafür ist die Wilde Rauke, in ihrer domestizierten Form auch als Rucola aus der italienischen Küche bekannt. Wächst sie statt im bewässerten Garten in der freien Natur, ist sie deutlich kräftiger und schärfer im Geschmack und trägt mehr gesunde Pflanzenstoffe in sich.

Sammeln könne man die wilden Kräuter eigentlich überall, sagt Schmidt-Luchmann. Sie selbst geht überall dort sammeln, wo sie sich aufhält, im Urlaub auch mal auf Mallorca oder in einer Metropole wie San Francisco. In Berlin zählt der Treptower Park zu ihren Lieblingsrevieren. Dort bietet sie auch Wildkräuterspaziergänge an, um ihr Fachwissen mit anderen sammelfreudigen BerlinerInnen zu teilen.

Tipp für EinsteigerInnen: geführte Wildkräuterwanderung

Da nicht jedes Kraut so unverwechselbar ist wie Löwenzahn oder Brennnessel, empfiehlt es sich, vor dem Sammeln etwas Recherche zu betreiben. Bücher oder Pflanzen-Erkennungs-Apps können einen ersten Anhaltspunkt geben. Am sichersten ist es aber, bei den ersten Wildkräuterwanderungen jemanden mit geschultem Auge und Fachwissen dabei zu haben (Empfehlungen finden sich am Ende des Textes, Anm. d. Red.).

Anne Schmidt-Luchmann gibt bei ihren geführten Wildkräuterspaziergängen gern auch Tipps, was die Wandernden anschließend mit ihrem Sammelgut anfangen können: „Am einfachsten lassen sich frische Wildkräuter verwenden, wenn man über sie nachdenkt, wie über Kultur-Küchenkräuter“, so die Expertin. So könne man Gundermann, Giersch, Quendel oder Sauerampfer feinhacken und als Würze auf Gerichte oder belegte Brote streuen.

Gut eignen sich die grünen Fundstücke aus der Natur auch als Zutat für Smoothies – hierfür kommen vor allem Giersch, Brennnessel und die junge Goldrute in Frage. Nicht zuletzt sind Wildkräuter wie Vogelmiere, Löwenzahn oder junge Lindenblätter aber auch eine perfekte Salatzutat. All diese Kräuter sind in den Frühlings- bis Sommermonaten meist üppig in der freien Natur vorhanden.

Vor der Verarbeitung sollten die Kräuter gut gewaschen werden. „Ich reinige alles Bodennahe, das ich sammle, in einer Natronlauge“, sagt Schmidt-Luchmann. Dafür genügt es, ein bis zwei Teelöffel Natron in einem Liter Wasser aufzulösen und die Kräuter für mindestens zehn Minuten hineinzulegen. Anschließend sollten sie noch einmal mit klarem Wasser abgespült werden.

Rezept für Löwenzahn mit Radieschen und Weißwurst

Gesammelte Kräuter: Salat aus Löwenzahn, Radieschen und Weißwurst in einer Schüssel. Foto: Julia Schmidt
Das Auge isst ja bekanntlich mit: So gut sehen Wildkräuter zubereitet von Anne Schmid-Luchmann aus. Foto: Julia Schmidt

ZUTATEN

Salat

  • 2 Handvoll junge Löwenzahn-Blätter
  • 1 Bund Radieschen
  • 40 geschlossene Löwenzahn-Knospen
  • 100 ml Schwarzbier
  • Salz
  • 40 Löwenzahn-Stängel
  • Eiswasser
  • 4 Weißwürste
  • 2 EL Rapsöl

Hirse

  • 125 g Hirse
  • 250 ml heißer Gemüsefond
  • 2 EL Rapsöl
  • Salz
  • frisch gepresster Zitronensaft

Dressing

  • 4 TL süßer Senf
  • 3 EL Gemüsefond
  • 3 EL Apfelessig
  • 8 EL Rapsöl
  • Salz und Pfeffer aus der Mühle

ZUBEREITUNG

  1. Löwenzahn-Blätter in Natronwasser waschen und trockenschleudern. Radieschen waschen und in Scheiben schneiden. Die Hälfte der Löwenzahn-Knospen in einer beschichteten Pfanne ohne Fett für 5 Minuten heiß anrösten. Mit dem Schwarzbier ablöschen und so lange einkochen, bis keine Flüssigkeit mehr zu sehen ist. Salzen, Löwenzahn-Knospen aus der Pfanne nehmen und warm stellen.
  2. Löwenzahn-Stängel waschen und längs vierteln. Die dünnen Stängel dann nochmals halbieren oder vierteln (je nach Dicke) und in Eiswasser geben. Nach einiger Zeit sollten sie sich fest einkringeln.
  3. Die Weißwürste in heißem Rapsöl in einer beschichteten Pfanne für 5 Minuten von allen Seiten anbraten, herausnehmen und warm stellen.
  4. Hirse in einem kleinen Topf mit der heißen Brühe übergießen und 10 Minuten sanft köcheln. Den Topf vom Herd nehmen und weitere 5 Minuten zugedeckt quellen lassen. Rapsöl hinzufügen und mit einer Gabel auflockern, mit Salz und Zitronensaft abschmecken.
  5. Alle Zutaten für das Dressing, bis auf die Gewürze, in ein Schraubglas geben, kräftig schütteln und mit Salz und Pfeffer abschmecken.
  6. Zum Servieren die Weißwürste in Scheiben schneiden. Zusammen mit den Blättern, den rohen sowie gegarten Knospen, Stängeln, Radieschen und Hirse in Schalen anrichten. Das Dressing großzügig darüber geben.

Dazu passen Laugenbrezeln mit Butter.

Die besten Orte zum Kräutersammeln in und um Berlin

Orte mit geführten Wanderungen

1. Im Treptower Park und Plänterwald

Mitten in der Stadt und doch auch mitten in der Natur fühlt man sich in diesem grünen Berliner Naherholungsgebiet. Und das Beste daran: Überall wachsen frische Wildkräuter. Im Treptower Park bietet Anne Schmidt-Luchmann geführte Kräuterspaziergänge an.

2. Im Berliner Norden

Durch die Naturschutzgebiete am nördlichen Rand der Stadt führen Kräuterexperte Manuel Larbig und das Team seines Unternehmens Waldsamkeit. Der Startpunkt für längere Wanderungen ist nahe der Tram- und Bushaltestelle Rosenthal Nord. Darüber hinaus bieten Larbig und seine KollegInnen in Berlin auch kürzere Kräuterspaziergänge durch den Grunewald, den Volkspark Jungfernheide, die Wuhlheide und den Landschaftspark Herzberge an.

3. Im Spandauer Forst

Rund um das Wildgehege im Spandauer Forst sprießt manches wilde Kraut. Kräuterfachfrau Hannelore Bayer-Rutzel teilt dort ihr Wissen zu den Pflanzen und ihrer Verwendung bei geführten Wanderungen.

4. Im Naturpark Barnim rund um den Wandlitzer See (ca. 30 km von Berlin)

Bei dieser Wälder- und Seenlandschaft handelt es sich um eine sehr ergiebige Gegend für Küchen- und Heilkräuter. Die Heilpraktikerin und Naturpädagogin Maria Moch bietet hier geführte Kräuterspaziergänge an.

5. In der Region Teltow-Fläming (ca. 45 km von Berlin)

Kräuterfachfrau Elke Petersdorf bietet im Landkreis Teltow-Fläming Kräuterführungen an, zum Beispiel von Groß Kienitz aus. Auf ihrer Website erfährt man außerdem, wann welches Kraut grade Saison hat.

Weitere schöne Kräuterwanderorte

1. Im Schlosspark Charlottenburg

Giersch, Gundermann, Fünffingerkraut und die allseits beliebte Brennnessel sprießen rund um den See im Schlosspark Charlottenburg. In kleinen Mengen mitgenommen, können sie dem Abendessen die nötige Würze verleihen.

2. Im Briesetal (ca. 25 km von Berlin)

Ein bisschen erinnern die sich knorrig aus dem Wasser räkelnden Bäume an Gruselfilmkulissen – aber keine Angst, in Birkenwerder spukt es in der Regel nicht. Dafür finden Wildkräuterkundige hier viel zum Pflücken.

3. Zwischen Bredower Forst und Falkensee (ca. 30 km von Berlin)

Der Naturlehrpfad zwischen Falkensee und Bredower Forst wurde in den 1930er-Jahren angelegt. Er eignet sich perfekt für einen Sonntagsausflug mit dem Rad oder zu Fuß – und natürlich zum Kräutersammeln.

4. In der Märkischen Schweiz (ca. 45 km von Berlin)

Wälder, Seen, Quellen, Moore: Viel intakte Natur befindet sich nordöstlich von Berlin in der Region um Buckow. Das ganze Jahr über wachsen dort viele Wildkräuter und im Herbst auch Pilze.

Titelfoto: Getty Images

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