Drei Menschen stehen im Garten und halten Gartenwerkzeuge, umgeben von grünen Pflanzen. Foto: Ralph Maak

Gemeinsam wachsen: Die AG Rosengarten in der Rollbergesiedlung

Tatkräftige MieterInnen des Reinickendorfer Quartiers haben einen vormals wilden Fleck in einen grünen Wohlfühlort verwandelt. Eine Geschichte über Pflanzen und Partizipation – und soziale Effekte, die auch jenseits des Gartens spürbar sind.

Jeder erste Mittwoch im Monat – dieser Termin ist zurzeit gesetzt. Dann trifft sich nahe der Tegernauer Zeile 2 in der Reinickendorfer Rollbergesiedlung die Arbeitsgemeinschaft Rosengarten. Zur AG gehören die Mieterinnen Elke, Julie und Samar sowie als Pate und Kümmerer der ehemalige Gartenbaudirektor des Straßen- und Grünflächenamtes Reinickendorf, Rüdiger. Zusammen pflegen sie eine Fläche, die acht Beete umfasst.

Im Herbst 2023 wurde im Quartiersmanagement Titiseestraße die Idee geboren, das grüne Fleckchen zwischen den Wohnhäusern zu einem Partizipationsprojekt zu machen. „Es ging darum, einen grünen Wohlfühlort zu schaffen, den die Mieterinnen und Mieter aktiv mitgestalten können“, sagt Karoline Kirschner, Quartierkoordinatorin der Gewobag.

Unterstützung durch die Gewobag

Das Quartiersmanagement konnte den Vorsitzenden der Stiftung „Kleine Plätze“, Eberhard Brockmann, dafür gewinnen, sich finanziell im Projekt zu engagieren. Seine Frau Gundhild Brockmann hat diese Aufgaben seit seinem unerwarteten Tod im Sommer 2024 übernommen. Von der Stiftung kommen der Pflanzplan, die Pflanzen und die gärtnerische Unterstützung durch die Landschaftsplanerin Nicole und den Gärtner Johannes. Gepflanzt sind vor allem Stauden, die mit großer Hitze auskommen, etwa Bergminze, Helmkraut, Ehrenpreis und Madonnenlilien. Dazwischen sind Rosen gesetzt.

Die Gewobag übernahm die Aufstellung neuer Mülleimer sowie die Installation eines Wasseranschlusses inklusive der Kostenübernahme für die Bewässerung der Beete. Die Erneuerung der Sitzgelegenheiten wurde dank der Unterstützung des Quartiersmanagement-Teams durch Fördermittel aus dem Projektfonds im Programm „Sozialer Zusammenhalt“ ermöglicht.

Im Oktober 2024 fand ein erstes kleines Rosengartenfest statt. Aktuell geht es vor allem um die regelmäßige Pflege der Beete. Landschaftsplanerin und Gärtnerin Nicole unterstützt die Gruppe dabei mit fachlicher Expertise, etwa beim Unkraut jäten.

„Wollen wir das nicht noch drin lassen?“, fragt Mieterin Elke an einem Freitag im Juli und zeigt auf das hochgewachsene Berufskraut, das ein bisschen an zu lang geratene Gänseblümchen erinnert. „Das blüht so schön“, fügt sie hinzu. „Ich würde es trotzdem rausnehmen bevor es versamt, sonst haben wir im nächsten Jahr viel mehr Unkraut“, rät Nicole. 

Erfüllender Vorher-Nachher-Effekt

Um 10 Uhr hat die kleine Gruppe sich getroffen. Minute für Minute wächst der Haufen aus Spitzwegerich, Berufskraut, Rutenhirse und Gänsefuß neben den Beeten. „Das Erfüllendste bei der Arbeit ist der Vorher-Nachher-Effekt. Wenn die Leute kommen, müssen sie sich vielleicht ein bisschen aufraffen, um rauszugehen, aber wenn sie mit der Arbeit fertig sind, sind immer alle glücklich und freuen sich über das, was sie geschafft haben“, sagt Nicole.

Elke wohnt seit 41 Jahren in der Schluchseestraße. Sie hatte selbst mal einen Schrebergarten, der jedoch nicht mehr existiert. Auch deshalb war Elke von Anfang an beim Projekt Rosengarten dabei. „Im Unkraut vergesse ich alles“, sagt sie.

Zu Beginn hat Rüdiger die benötigten Utensilien wie Unkrautstecher, kleine Schaufeln, Handschuhe, Gartenschlauch und Gießkanne immer aus Frohnau mitgebracht. Inzwischen darf die Gruppe einen kleinen Raum im Haus nutzen, was vieles einfacher macht.

„Beim Gärtnern
geht es nicht nur um Pflanzen.
Man tauscht sich aus, redet sich frei
und ist an der frischen Luft.“

Nicole,
Landschaftsplanerin und Gärtnerin

Relativ neu im Rosengarten ist Mieterin Samar. Sie stammt aus Syrien und hat sich der Gruppe unter anderem angeschlossen, um Kontakte zu knüpfen und ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Das B1 Zertifikat in Deutsch hat sie gerade abgeschlossen.

„Beim Gärtnern geht es nicht nur um Pflanzen. Man tauscht sich aus, redet sich frei, ist an der frischen Luft. Wir arbeiten auch viel mit Rentnerinnen und Rentnern. Die fühlen sich gebraucht und gesehen und das ist schön“, sagt Landschaftsplanerin Nicole.

MieterInnen sind herzlich willkommen

Die Arbeit der Rosengarten-AG kommt gut an, wenn auch nicht immer auf die Weise, die sich die Beteiligten wünschen würden. Zu Ostern haben einige Leute sich die Osterglocken und Tulpen abgeschnitten. Kürzlich hat das Team im Beet eine Dame mit Rollator überrascht, die sich eine Hortensie abriss. „Ich fände es schöner, wenn die Leute sich hier im Garten an den Pflanzen erfreuen würden. Man könnte sich das Abendbrot mitnehmen und hier essen oder kleine Familienfeiern und Geburtstage im Garten abhalten“, sagt Elke. Die Sitzgruppen und Bänke jedenfalls laden zum Verweilen ein.

Vor dem Projektstart wurde auf dem Areal viel mit Drogen gedealt. „Es war gut versteckt, weil hoch und dicht bewachsen und ziemlich verwildert“, erzählt Elke. Die Fläche war auch ein beliebter Treff für Jugendliche. „Wir hatten anfangs Sorge, dass wir ihnen ihren Bereich streitig machen“, sagt Rüdiger. Zu Beginn fanden sie häufig leere Bierflaschen und Zigarettenstummel in den Beeten. „Wir haben uns aber nie beschwert, irgendwann haben sie uns angesprochen und wir erzählten von dem Projekt. Seitdem waren keine Abfälle mehr im Beet“, sagt Rüdiger. Die jungen Leute haben sogar ihre Hilfe angeboten und die kann die AG gut gebrauchen.

MieterInnen gestalten Wohnumfeld aktiv mit

Das große Beet, das die Gruppe im Frühjahr 2024 angelegt hat, ist schon selbst blühend. Es gibt mehrere Pflanzpläne und diverse FörderInnen. Gundhild Brockmann unterstützt das Projekt als Vorsitzende der Stiftung „Kleine Plätze“, hinzu kommen wie die Gewobag, Mitglieder des Quartiersmanagements, des Stadtteilzentrums, der Caritas und diverse Ehrenamtliche. Allerdings braucht es auch Bewohnerinnen und Bewohner, die Lust darauf haben, ihr Wohnumfeld aktiv mitzugestalten.

„Es wäre schon schön, wenn mir mehr Hilfe hätten. Dann würden wir viel mehr schaffen“, sagt Elke, die zum Mieterbeirat des Quartiers zählt. Etwa 5.700 Menschen wohnen in der Siedlung.

Eine von ihnen ist die 83 Jahre alte Bärbel, die gern Unkraut aus den Wegeplatten kratzt. „Sie ist nicht zu bremsen und kann sich ungewöhnlich gut bücken“, sagt Nicole, während sie eine Blechdose aus ihrem Rucksack kramt. Gärtnern macht hungrig. „Möchte jemand Kohlrabi?“, frag sie. Elke würde gern zugreifen, hat ihre Hände jedoch gerade in der Erde, also steckt Nicole ihr ein Stück in den Mund. Ein Beispiel, das zeigt, wie herzlich ist es in der AG Rosengarten zugeht. Elke lacht. „Also, ich könnte das hier noch eine Weile machen.“

Titelfoto: Ralph Maak

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