Eine Person kniet hinter einem alten Fahrrad und zieht mit der Hand das Hinterrad aus der Aufhängung. Foto: iStock

Neuer Nutzen für alte Räder: Smarte Kooperation in Charlottenburg-Nord

Aus einem Tandem-Projekt der Gewobag mit dem Netzwerk für Bildung und Soziales sind bemerkenswerte Synergieeffekte entstanden. Neben den BewohnerInnen der Paul-Hertz-Siedlung profitieren viele weitere AkteurInnen.

Dreiecksbeziehungen haftet ja das Image an, etwas heikel sein zu können, doch in diesem Fall darf man guten Gewissens von einer Win-Win-Win-Situation sprechen: Der neue Kooperationsvertrag zwischen der Gewobag und dem Netzwerk für Bildung und Soziales (NBS) bringt gleich mehrere ProfiteurInnen hervor. Florence Dezoteux beschreibt es so: „Das ist ein tolles Projekt, weil wirklich alle Seiten etwas davon haben.“

Dezoteux, eine der Quartierskoordinatorinnen bei der Gewobag, hat den Kooperationsvertrag Ende September mit unterschrieben. Die Partnerschaft mit dem sozialen Träger unterstützt nicht nur eine integrative Fahrradwerkstatt in Charlottenburg-Nord – auch MieterInnen und Hilfsbedürftige haben Vorteile davon, sogar bis in die Ukraine. Die Idee: herrenlose Fahrräder, die in Häusern ungenutzt herumstehen, finden in der NBS-Werkstatt neue Verwendung. Aber der Reihe nach.

Zwei Männer und eine Frau sitzen an einem Tisch und lächeln nach einer Vertragsunterschrift in die Kamera. Foto: Gewobag
Gewobag-Abteilungsleiter Marcus Müller, Quartierskoordinatorin Florence Dezoteux und NBS-Geschäftsführer Ronny Beitz (v. l.) bei der Vertragsunterschrift im Spree-Bogen. Foto: Gewobag

Upcycling trifft Arbeitsmarkt-Maßnahme

„Es gab in der Paul-Hertz-Siedlung Haus-Aushänge für eine Fahrradleichen-Sammelaktion“, berichtet Shanice Muntinga vom Gewobag-KundenberaterInnen-Team Charlottenburg, „die Mieterinnen und Mieter hatten einige Wochen Zeit, ihre Räder zu beschriften.“ Dann habe eine beauftragte Firma Schlösser aufgebrochen und unmarkierte Räder in Keller getragen. Gut 300 seien es in 50 Häusern gewesen. Eine beachtliche Zahl.

Das Problem gibt es vielerorts, oft werden Fahrräder einfach zurückgelassen oder vergessen, etwa wenn ihre BesitzerInnen umziehen oder das Rad defekt ist. Dabei sind manche noch in gutem Zustand.

Ein Fahrrad ohne Sattel und Vorderrad, das an ein Geländer angeschlossen ist. Foto: iStock
Herrenlose Fahrräder wie dieses erhalten durch die Kooperation von Gewobag und NBS einen neuen Nutzen. Foto: iStock.

„Die Mieterinnen und Mieter hatten noch ein halbes Jahr Zeit, Räder zu reklamieren“, sagt Andreas Lange, Hauswart der Firma Fletwerk, der dabei war. Normalerweise werden herrenlose Räder oft verschrottet. In diesem Fall wurden sie abgeholt. „Wir sind über einen Kiez-Treff mit Gewobag-Mitarbeitern in Kontakt gekommen, ob wir Spendenräder annehmen“, sagt NBS-Projektkoordinatorin Petra Hiller.

Ihr Kollege Detlef Pinnow holte die Drahtesel ab und brachte sie in die Werkstatt am Salzufer 14a. „Wir arbeiten mit den Jobcentern zusammen, als Eingliederungshilfe in den Arbeitsmarkt“, sagt er. Beschäftigte lernen dort, Fahrräder zu reparieren und helfen Bedürftigen, ihre Räder fit zu machen. Ist ein Rad einmal nicht zu retten, erhalten sie gegen Nachweis der Bedürftigkeit ein Ersatzfahrrad.

Ein Plus für MieterInnen – und für Bedürftige

Großaufnahme: Eine Werkbank in einer Fahrradwerkstatt. Zu sehen sind die Arme eines Mechanikers, der an einer älteren Kurbelgarnitur arbeitet. Foto: AdobeStock
In der Werkstatt des NBS werden Fahrräder wieder flott gemacht, sind zugleich aber auch Teil einer Arbeitsmarkt-Maßnahme. Foto: AdobeStock

Recycling wird dabei groß geschrieben, alte Fahrradteile wiederverwendet. „Aus zwei mach eins“, nennt Pinnow das Prinzip. Ein Teil der eingesammelten und aufbereiteten Fahrräder wurde an die Organisation Changing Cities gespendet, sie gingen als Hilfsgüter in die Ukraine. In einigen Städten dort ist der öffentliche Nahverkehr zusammengebrochen, Benzin schwer oder nicht zu bekommen.

Insofern macht es Sinn, wenn Quartierskoordinatorin Dezoteux die Verlängerung der Kooperation mit NBS um ein weiteres Jahr für alle Beteiligten vorteilhaft nennt. Auch für die MieterInnen vor Ort. „Sie freuen sich, weil Fahrradbügel und Keller freigeräumt sind, wieder Platz ist für tatsächlich genutzte Fahrräder und sich das Erscheinungsbild der Häuser bessert.“ Simples Konzept, viele positive Effekte. Win-Win-Win eben.

Titelfoto: iStock

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