Menschen machen Sport im Park

Neujahrsvorsätze 2024: „Man sollte die großen Ziele herunterbrechen“

Der Jahreswechsel ist die Zeit der guten Vorsätze, doch die Erfahrung zeigt: Oft klafft zwischen Theorie und Praxis eine Lücke. Wie es mit den Neujahrsvorsätzen 2024 besser klappt? Das erklärt der Psychologe Hans-Werner Rückert im Interview.

Mehr Sport, gesündere Ernährung oder bessere Work-Life-Balance: Wenn es um gute Vorsätze für das neue Jahr geht, mangelt es nicht an Möglichkeiten, dafür aber häufig an der Umsetzung. Der Berliner Psychologe Hans-Werner Rückert weiß: Es geht auch anders.

Herr Rückert, zum Jahreswechsel werden wieder viele Neujahrsvorsätze gemacht. Warum nutzen Menschen diesen Zeitpunkt, um sich Ziele zu setzen?

Hans-Werner Rückert: Der Jahreswechsel ist ein Datum, das sich aus dem Alltäglichen heraushebt. Es scheint sich für viele einfach anzubieten, um etwas neu beziehungsweise anders zu machen. Vermutlich steckt auch ein bisschen Aberglaube dahinter.

Sie haben ein Buch über das Aufschieben von Dingen geschrieben. Ist der Jahreswechsel ein guter Zeitpunkt ist, um Dinge anzugehen?

Hans-Werner Rückert: Der Jahreswechsel ist relativ ungeeignet, denke ich. Sprichwörtlich heißt es ja, dass die guten Neujahrsvorsätze nicht lange halten. Das ist bei vielen schon so in den Köpfen drin. Ein besonders optimaler Zeitpunkt ist es daher meiner Ansicht nach nicht.

Die häufigsten Neujahrsvorsätze für 2024

Im Oktober 2023 führte das Statistik-Portal Statista eine Onlineumfrage zu den beliebtesten Neujahrsvorsätzen für das 2024 durch. Das sind die fünf häufigsten guten Vorsätze der Deutschen:

1. Mehr Geld sparen

2. Mehr Sport treiben

3. Gesünder ernähren

4. Mehr Zeit mit Familie/Freunden verbringen

5. Abnehmen

Zum Glück ist es nicht aussichtslos. Wie kann man seine Neujahrsvorsätze 2024 trotzdem einhalten?

Hans-Werner Rückert: Die Frage ist, wie man einen Neujahrsvorsatz bildet, der die Chance hat, den Jahreswechsel zu überleben und nicht gleich in sich zusammenbricht. Idealerweise formuliert und wiederholt man dafür nicht nur einen frommen Wunsch, wie die üblichen: ‘Ich möchte abnehmen, weniger trinken oder mehr Sport treiben.‘ Das sind ja meistens Dinge, die –wenn man sie sich vornimmt – in der Vergangenheit schon nicht funktioniert haben. Vielmehr sollte man sich fragen, was in der Vergangenheit nicht geklappt hat und warum es nicht geklappt hat.

Was leitet man im Idealfall daraus ab?

Hans-Werner Rückert: Ein Beispiel: Mit mehr Sport hat es in der Vergangenheit vielleicht schlicht nicht geklappt, weil ich unterschätzt habe, wie anstrengend es ist. Bevor ich das Runners High erlebe und mich gekräftigt und gestärkt fühle, habe ich erstmal Muskelkater zu ertragen. Wenn ich mich darauf fokussiere, dann müsste ich meinen Vorsatz umformulieren. Das heißt, ich sage nicht mehr nur, ich will mehr Sport machen, sondern ich will mir vornehmen, im neuen Jahr drei Monate Muskelkater in Kauf zu nehmen.

Und dann?

Hans-Werner Rückert: Und dann kann ich mir überlegen, ob ich das wirklich will. Das lässt sich auch übertragen. Für die meisten Vorsätze muss man die Komfortzone verlassen und eine Einbuße an Bequemlichkeit hinnehmen. Im Falle von Sport und dem damit verbundenen Muskelkater geht das sogar mit tatsächlichen Schmerzen einher. Für den einfachen Wunsch nach mehr Sport muss man also bereit sein, das in Kauf zu nehmen.

Das bedeutet, Sie würden beim Formulieren von Neujahrsvorsätzen die Konsequenzen mit einbeziehen, um herauszufinden, ob man wirklich bereit ist, sich den Zielen zu widmen?

Hans-Werner Rückert: Ganz richtig. Eine Weltreise klingt als Vorsatz erstmal super. Aber zur konkreten Umsetzung gehört ja auch eine Menge Planung. Die reichen von den Einreisebestimmungen des jeweiligen Landes bis hin zu Impfungen, die ich eventuell brauche. Das muss ich mit einbeziehen, wenn ich meinen Vorsatz für eine Weltreise ernst nehme.

Frau schneidet Avocado
Eine gesunde Ernährung gehört auch 2024 zu den beliebtesten Neujahrsvorsätzen. Am besten wird man dafür selbst in der Küche aktiv. Foto: Getty Images

Gibt es weitere Strategien, die dabei helfen könnten, auch größere Vorsätze einzuhalten?

Hans-Werner Rückert: Erfolgserlebnisse können helfen, daher sollte man sich selbst welche bescheren. Es ist natürlich am schönsten, wenn die Sache selbstbelohnend ist. Wenn man aber plant, einen Segelschein zu machen, wird das vielleicht erst nach einem halben Jahr der Fall sein. Davor kriegt man raue Hände oder kentert auch mal und fällt ins Wasser. Nichtsdestotrotz kann man sich überlegen, wie man sich für diese Unannehmlichkeiten belohnt. Vielleicht schaut man sich Segelfilme an oder befreundet sich mit sympathischen Seglerinnen und Seglern. Oder man gönnt sich nach bestandener Navigationsprüfung ein ganz besonderes Abendessen.

Was halten Sie von Zwischenzielen?

Hans-Werner Rückert: Es ergibt Sinn, die großen Ziele herunterzubrechen. Anstatt sich vorzunehmen, den Marathon zu laufen, reicht es vielleicht für den Anfang, dreimal die Woche abends um den Park zu laufen, der vor der Haustür liegt. Das ist schon mal weniger Aufwand. Vielleicht gönne ich mir auch eine Ausnahme, wenn es regnet, damit ich die Jahresvorsätze nicht gleich wieder aufgebe.

Können uns die richtigen Vorsätze dabei helfen, glücklicher zu werden?

Hans-Werner Rückert: Das kommt darauf an, wie man Glück definiert. Aber wenn man die Sache durchzieht, gibt es natürlich einen Grund, stolz auf sich zu sein. Diejenigen, die ihre Ziele erreichen, sind bestimmt glücklicher als diejenigen, die permanent scheitern.

Wie geht man am besten damit um, wenn die Neujahrsvorsätze 2024 doch scheitern?

Hans-Werner Rückert: Man sollte das Scheitern offen feststellen, ohne es sich übel zu nehmen oder sich zu bestrafen. Dann könnte man sich an Samuel Beckett halten, der sagte: „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Oder man macht sich bewusst, dass es sicherlich Menschen gibt, die bei der Vorsatzbildung generell erfolgreicher sind als andere und überlegt, ob Neujahrsvorsätze überhaupt der richtige Weg für sich selbst sind, Dinge anzugehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Hans-Werner Rückert ist approbierter Psychologischer Psychotherapeut. Der Berliner ist zudem als Dozent, Lehrtherapeut und Supervisor in der Ausbildung von Psychologischen PsychotherapeutInnen tätig. Mit besonderem Interesse widmet er sich dem pathologischen Aufschieben (Prokrastination), unter anderem in seinem Buch „Schluss mit dem ewigen Aufschieben – Wie Sie umsetzen, was Sie sich vornehmen“.

Titelfoto: Getty Images

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