Raus aus dem Haus: 7 versteckte Orte in Berlin 13. April 2022Lesedauer: 4 Min. Abseits der bekannten Pfade rund um Brandenburger Tor und Reichstag hat die Hauptstadt noch sehr viel mehr zu bieten. Der Berlin-Historiker Michael Bienert hat sieben echte Geheimtipps zusammengestellt. Gartenhof der Staatsbibliothek Unter den Linden Ein denkmalgeschützter Gartenhof, ein rauschender Springbrunnen, wilder Wein rankt sich an sorgfältig restaurierten Fassaden empor: Der Gartenhof der Staatsbibliothek Unter den Linden ist ein fast vergessener Ort. 16 Jahre lang wurde der Prachtbau aus der Kaiserzeit restauriert und war eine Baustelle. Erst seit 2021 ist der Gartenhof der Staatsbibliothek an der Straße Unter den Linden wieder für die Öffentlichkeit zugänglich – und das auch ohne Bibliotheksausweis. Relikte aus den DDR-Jahren sind die lebensgroße Skulptur eines Arbeiters und ein Relief mit dem Gedicht Fragen eines lesenden Arbeiters von Bertolt Brecht im Hof. Eine Oase an Berlins Prachtboulevard. Staatsbibliothek Preußischer KulturbesitzUnter den Linden 8, 10117 Berlingeöffnet Mo. bis Sa. von 8 bis 22 Uhr. Der Gartenhof der Staatsbibliothek. Foto: Johannes Schneeweiß Buchstabenmuseum im S-Bahn-Bogen 424 Leuchtreklamen gehören zum Stadtbild einer modernen Metropole, aber diese Wahrzeichen und Wegmarken sind auch besonders gefährdet: Wenn Geschäfte umziehen oder schließen, dann landen die typografischen Kunstwerke schnell auf dem Müll. Das Buchstabenmuseum sammelt seit 15 Jahren solche Zeugnisse der Berlin-Geschichte. Einen Unterschlupf hat es in mehreren S-Bahn-Bögen in Tiergarten gefunden. In deren Dämmerung kommen die Leuchtbuchstaben bestens zu Geltung. Wer länger in Berlin lebt, wird alte Bekannte wiedererkennen: die Schriftzüge der abgewickelten BERLINER BANK oder die Reklame für den TAGESSPIEGEL vom früheren Gebäude an der Potsdamer Straße, das Logo der DDR-Markthalle am Alex oder die eleganten „Zierfische“ vom Frankfurter Tor. Aus dem Stadtbild verschwunden, leben sie in der Erinnerung weiter – und im Buchstabenmuseum. BuchstabenmuseumS-Bahn-Bogen 424, 10557 Berlingeöffnet Do. bis So. von 13 bis 17 Uhr Das Buchstabenmuseum im S-Bahn-Bogen 424. Foto: vanishingberlin Campus der Lebenswissenschaften mit Trichinentempel Nicht weit vom Reichstag und dem Charité-Hochhaus roch es vor zehn Jahren noch nach Tierställen. Inzwischen haben die Lebenswissenschaften den ehemaligen Campus der Veterinärmedizin in Mitte übernommen. Abgeschirmt von den umliegenden Straßen fließt die renaturierte Panke durch den versteckten Park mit alten Bäumen. Mittendrin ein Architekturjuwel aus dem 18. Jahrhundert: das tieranatomische Theater mit seinem runden Vorlesungssaal, auch „Trichinentempel“ genannt. Eine Ausstellung in den Nebenräumen präsentiert die wissenschaftshistorischen Sammlungen der Humboldt-Universität. Wer starke Nerven hat, kann auch ins benachbarte Anatomiegebäude der Humanmedizin gehen. Zu Studienzwecken sind im Erdgeschoss zahlreiche anatomische Präparate und Werkzeuge ausgestellt. Sonntags ist es manchmal schwierig, auf den Campus zu kommen, werktags gibt es öffentliche Zugänge von der Luisenstraße 56, der Philippstraße und der Claire-Waldoff-Straße. Tieranatomisches TheaterPhilippstraße 3, 10115 Berlingeöffnet Mo. bis Fr von 14 bis 18 Uhr Das tieranatomische Theater. Foto: Johannes Schneeweiß Blindenwerkstatt von Otto Weidt im Hinterhof Inge Deutschkron war Ehrenbürgerin von Berlin, Autorin, Journalistin und eine der letzten lebenden Zeuginnen des Holocaust. Als sie am 9. März 2022 mit 99 Jahren starb, war das sogar der „Tagesschau“ einen Beitrag wert. Versteckt in Berlin hatte Inge Deutschkron als Jüdin den Zweiten Weltkrieg überlebt. Einer ihrer Helfer war der Kleinfabrikant Otto Weidt, der sie in seiner Besen- und Bürstenbinderei in der Rosenthaler Straße 39 beschäftigte, in einem Hinterhof nicht weit vom Hackeschen Markt. Couragiert rettete der nahezu blinde Mann zahlreiche Angestellte vor der Deportation, einige versteckte er in einem Hinterraum seiner Werkstatt. Am Originalschauplatz erinnert eine Ausstellung an den stillen Helden. Museum Blindenwerkstatt Otto WeidtRosenthaler Straße 39, 10178 Berlintäglich geöffnet 10 bis 18 Uhr Das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt / Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Foto: Thomas Bruns Schloss und Park Schönhausen in Pankow Seit der erste und einzige Staatspräsident der DDR Wilhelm Pieck in das barocke Schlösschen einzog, ist es von einer Mauer umgeben. Sie zerschneidet den alten Schlosspark, ist aber kein unüberwindliches Hindernis für spontane Besuche mehr. Vier riesengroße Platanen auf der Gartenseite des Schlosses stammen noch aus dem 18. Jahrhundert, als hier Königin Elisabeth Christine, die Gemahlin Friedrichs des Großen, die Sommermonate genoss. Im Schloss ist neben dem Büro Wilhelm Piecks und Gästezimmern der DDR-Regierung auch der Rokoko-Festsaal der Königin zu entdecken, der einzige original erhaltene Saal dieser Art in Berlin. Das mobile Parkcafé Sommerlust macht das Ausflugsziel in Pankow für Familien perfekt: Man kann auf Gartenstühlen unter Sonnenschirmen sitzen, aber ebenso gut mit Kindern auf einer Schlosswiese ein Eis schlecken oder mitgebrachte Kekse knabbern. Schloss SchönhausenTschaikowskistraße 1, 13156 BerlinDer Schlosspark ist täglich geöffnet, das Schloss am Wochenende von 10 bis 16 Uhr. Das Schloss Schönhausen in Pankow. Foto: Michael Bienert Museumswohnung in Haselhorst Niemand würde in der 280 Meter langen Wohnzeile am Burscheider Weg ein Museum vermuten. Sie wurde 1931 als Teil der Reichsforschungssiedlung Haselhorst nach Plänen des ungarisch-jüdischen Architekten Fred Forbát errichtet, der dem Bauhaus nahestand. 176 Mietparteien kamen in dem Gebäude in preiswerten Kleinstwohnungen unter. Eine davon wurde 2014 von der Gewobag als Museumswohnung im Stil der 1930er-Jahre eingerichtet und möbliert. Die Wohnküche mit Kochmaschine, das winzige Badezimmer, die gute Stube und ein Schlafzimmer vergegenwärtigen den Alltag im sozialen Wohnungsbau der Weimarer Republik. Wegen Corona war die 42-Quadratmeter-Wohnung zwei Jahre geschlossen, jetzt gibt es wieder Besichtigungstermine. Museumswohnung HaselhorstBurscheider Weg 2113559 BerlinGeöffnet jeden letzten Sonntag im Monat. Die Museumswohnung Haselhorst. Foto: Sabine Dobre Park des Humboldtschlösschens in Tegel Lassen Sie sich nicht abschrecken von dem Schild „Privatweg“ am Busparkplatz an der Adelheidallee: Das Gatter am Schloss Tegel steht meist einladend offen und rechts vom Haupthaus ist eine versteckte kleine Pforte zum Park mit der „Kasse des Vertrauens“. Eine prächtige Lindenallee und ein bewaldeter Hügelkamm schirmen die blühenden Langgraswiesen des Landschaftsparks gegen den Tegeler Verkehrslärm ab. Ein Ort, um zur Ruhe zu kommen. Die weltberühmten Forscher Alexander und Wilhelm von Humboldt liegen im Park begraben. Nachfahren wohnen noch immer im Schloss, den schönen Park teilen sie im Sommer mit den Berlinerinnen und Berlinern. Schloss und Park TegelAdelheidallee 19, 13507 Berlin Das Humboldtschlösschen in Tegel. Foto: Michael Bienert Entdecken Sie literarische Schauplätze in Berlin Wollen Sie Berlin aus einer neuen Perspektive kennenlernen? In seiner Publikation „E. T. A. Hoffmanns Berlin: Literarische Schauplätze“ stellt der Historiker Michael Bienert das Berlin der Romantik als quirlige Literatur- und Kunstmetropole vor.
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