Ansicht der Verkaufsfläche des Gebrauchtwarenkaufs NochMall in Berlin

NochMall: Zu Besuch im nachhaltigsten Kaufhaus Berlins

Innovativ, günstig, nachhaltig – in der NochMall gibt es ausschließlich Second-Hand-Ware zu kaufen. Ein Ortsbesuch in Reinickendorf zeigt: Das Kaufhaus ist eine Fundgrube für erstaunliche Schnäppchen, nicht nur in Sachen Möbel.

Leise ist es, fast wie in einer Bibliothek. Die Polstersessel sind besetzt. In wohnlicher Atmosphäre zwischen Phönixpalmen und Leselampen blättern Leute durch Asterix-Comics oder schmökern in Krimis. 

In den Regalen stehen gebundene Schätze der Weltliteratur neben Kinder-, Koch- und Gartenbüchern, eine Ecke weiter stöbern MusikliebhaberInnen durch Kästen mit CDs und Schallplatten aus Vinyl. Mit ein wenig Zeit und Glück finden sich hier, in der Reinickendorfer NochMall, außergewöhnliche Stücke, die nicht nur günstiger als Neuware sind, sondern auch im Zeichen eines nachhaltigen Konsums stehen. 

NochMall – alles außer neu

NochMall ist ein Wortspiel aus „nochmal“ und dem englischen „mall“, für Einkaufsmeile. „Alles außer neu“ – so lautet das Firmenmotto. Ob Stereoanlagen aus den 70ern, Kleidung aus den 90ern oder dänische Designermöbel aus den 50ern: Im Sortiment gibt es fast nichts, was es nicht gibt.

Auch Kinderkleidung, Spielzeug oder kuriose Sportgeräte finden sich im Second-Hand-Kaufhaus, und so ungewöhnlich wie der Name ist auch das Konzept. Mit einem gewöhnlichen Trödel oder Second-Hand-Laden hat dieses Gebrauchtwarenmekka nicht viel gemein. Alle Waren sind liebevoll in Szene gesetzt. 

Tatsächlich sieht sich die NochMall nicht nur als Geschäft: Es ist ein Erlebniskaufhaus, eine Plattform für nachhaltige Ideen, die in Workshops und Events vermittelt werden. „Wir wollten zudem einen Ort schaffen, an dem sich die Menschen gern aufhalten“, sagt Frieder Söling, Innovationsmanager der Berliner Stadtreinigung (BSR) und Geschäftsführer der NochMall GmbH.

Donnerstags wird aus dem Café eine Werkstatt

Das Café, das sich im ersten Stock des luftig gestalteten Kaufhauses befindet, ist definitiv ein Ort, an dem man sich gern aufhält. Jeden Donnerstag wird das Lokal zum Repaircafé. Dann zeigt ein Elektriker, wie man seine defekten Geräte wieder zum Laufen bringt

In einem Event-Bereich neben dem Café finden neben Vorträgen zum Thema Klimaschutz auch Upcycling-Workshops statt. Einer davon widmet sich etwa alten Büchern, die hier zu stimmungsvollen Lampen arrangiert werden. 

Online sind alle aktuellen Termine und Workshops der NochMall gelistet. Jeden ersten und dritten Sonnabend im Monat wird zur Auktion geladen, dann kommen besonders schöne Stücke unter den Hammer.

Andrang bei einer der Auktionen in der NochMall. © wolfgangson.com

Viele KundInnen kommen aber auch einfach nur für eine kleine Mahlzeit ins Café. In der Vitrine steht Cheesecake neben Brownies und herzhaften Snacks. Aus der Siebdruckmaschine fließt Kaffee für Cappuccino, Latte macchiato – oder auch ganz in schwarz. Ein paar Gäste sitzen vor ihren aufgeklappten Laptops und hacken in die Tastaturen. 

Das Mobiliar im Café ist Teil des Warensortiments, überall hängen Preisschilder. Kein Möbelstück sieht aus wie das andere, jeder Stuhl ein Unikat. Es hat sich herumgesprochen, dass, wer hier stöbert, ganz besondere Stücke finden kann. Die Kundschaft kommt längst nicht mehr nur aus Reinickendorf, sondern aus ganz Berlin

Mit einer Modedesignerin Upcycling lernen

„Upcycling macht Spaß!“, sagt Sigrid Münzberg. Das finden auch die sechs Teilnehmenden ihres Workshops. Heute zeigt die Schneiderin und Diplom-Modedesignerin, wie man aus einer alten Hose einen Rucksack macht. Nähmaschinen gibt es vor Ort, ebenso die Hosen, die es umzugestalten gilt. 

Nach dem Studium vor rund 13 Jahren freute sich Sigrid Münzberg auf ihren ersten Job in der Modebranche. Die Freude währte nicht lange. Sie erlebte Ausbeutung von Arbeitskräften in Fernost und Mode als Massenware. Wegwerfmode, deren kurze Halbwertszeit nicht mit dem Umweltschutz vereinbar ist.

Mir gefällt es,
die Lebensdauer von Kleidung
zu verlängern.

Upcycling-Expertin Sigrid Münzberg

Bald hängte sie den Job an den Nagel und besann sich auf etwas, das sie ihr Leben lang begleitete. Als Jugendliche nähte sie aus den Gardinen der Großmutter Kleider, aus den abgetragenen Klamotten des älteren Bruders machte sie coole Shirts für sich selbst. Nur nichts wegwerfen, lautet die Devise.

„Mir gefällt es, die Lebensdauer von Kleidung zu verlängern“, sagt die Designerin. Sigrid Münzberg liebt es, alte Klamotten zu verändern. Tipps und Ideen teilt sie auch auf ihrer Website Sekundär-Schick

Und vielen geht es offenbar ähnlich: Münzbergs Workshops werden immer populärer. Ob junge Menschen oder ältere – sie alle sind stolz, wenn sie anschließend etwas selbst Geschaffenes in den Händen halten. Einige dieser Workshops sind auf dem YouTube-Kanal der NochMall sehen.  

Kompetente Beratung

Lange hat die BSR überlegt, wie sie noch mehr Abfälle vermeiden kann. Zunächst entstand die Idee, alten Sachen, die keiner mehr haben will, neues Leben einzuhauchen und in einem schönen Ambiente zu verkaufen. Im August 2020 hat das Unternehmen schließlich die NochMall als Tochterfirma der BSR gegründet. Mehr als 20 MitarbeiterInnen arbeiten in dem Kaufhaus, das sich als Start-up versteht. Neben dem Geschäftsführer kümmern sich eine Betriebsleiterin, eine Verkaufsleiterin und mehrere LogistikerInnen darum, dass das Geschäft läuft. Auf der Verkaufsfläche beantworten KundenberaterInnen mit Know-how die Fragen der KundInnen.

Woher kommen die Waren der NochMall? 

Am Anfang hat die NochMall ihre Waren von Recyclinghöfen der BSR geholt. Inzwischen speisen die BerlinerInnen ihre Dinge selbst in den Warenkreislauf ein. „Du willst deine alten Sachen loswerden? Gib sie für uns ab!“ – viele Menschen folgen der Bitte der NochMall-Organisatoren. Vor allem sonnabends stehen die Kleintransporter Schlange vor der Warenannahme. 

Ein Mann öffnet die Heckklappe seines Lieferwagens und fördert eine Kommode zu Tage, ein in Einzelteile zerlegtes Regal und einen Stapel Stühle. Zu schade für den Sperrmüll, aber in die neue Wohnung wollen die Dinger auch nicht mehr passen. NochMall-Mitarbeiterin Jeannette Burdack reibt sich die Augen und grinst. Geschwungene Sitzfläche auf grazilen Beinen. Ihr geschulter Blick erkennt: Pagholzstühle aus den 1970er-Jahren. 

Gutes Design zum fairen Preis

Die Stühle tragen ein Designer-Label und sind super in Schuss. Im Netz wird so etwas für ein paar hundert Euro gehandelt, günstigstenfalls bezahlt man für einen der Stühle 100 Euro bei Ebay. „Wieviel können wir dafür noch nehmen, einen Zehner?“, fragt ein junger Kollege. 

Jeannette Burdack kennt sich aus mit Möbeln. Sie hat acht Jahre im Stilwerk, einem großen Möbelgeschäft für Designerware, gearbeitet, bevor sie vor zwei Jahren die Leitung der NochMall-Möbelabteilung übernommen hat. Ein Zehner? Die Expertin schüttelt den Kopf. „Machen wir 59 Euro daraus“, ruft sie dem Kollegen zu. Immer noch ein sehr fairer Preis für ganz besondere Stücke. Und damit typisch NochMall.

NochMall
Auguste-Viktoria-Allee 99
13403 Berlin

Öffnungszeiten:
Montags bis samstags: 10 bis 18 Uhr
Donnerstags: 10 bis 20 Uhr

Titelbild: wolfgangson.com

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