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„Alle Menschen haben das Recht auf angemessenen Wohnraum“

Ein Gespräch mit Patricia Llopis von der EIB.

Im Januar 2020 hat die Europäische Investitionsbank (EIB) der Gewobag für den Neubau von 2.000 Wohneinheiten bis zum Jahr 2023 einen Kredit in Höhe von 240 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In den nächsten Jahren wird die Gewobag damit u. a. 10.000-15.000 neue Wohnungen für Berlin bauen.

Es handelt sich bereits um das zweite Finanzierungsprojekt, bei dem die Gewobag mit der EIB zusammenarbeitet und steht im Einklang mit der EU-Städteagenda für lebenswerte und innovative Städte. Nachhaltiger und sozialer Wohnungsbau leistet aufgrund der hohen Energieeffizienzstandards einen wichtigen Beitrag zu den Klimaschutzzielen der Gewobag und der EIB.

Patricia Llopis, Expertin für Stadtentwicklung bei der Europäischen Investitionsbank, stand uns für ein Gespräch zur Verfügung. Das Thema des Gesprächs war die Relevanz der Förderung des sozialen und nachhaltigen Wohnungsbaus.

Patricia llopis betreut Sektorübergreifende Stadterneuerungsprojekte in ganz Europa. Wir wollten von ihr mehr über die Ziele der EIB im Kontext europäischer Politik wissen und wie Sie den Berliner Wohnungsmarkt im europäischen Ranking einschätzt.

Patricia Llopis schaut lächelnd in die Kamera. Sie trägt schwarzes schulterlanges Haar. eine silberene dezente Kette und einen dunklen Blazer.
Patricia Llopis

Die Zielsetzung der EIB

Welche Zielsetzung hat die EIB generell in Europa?

Patricia llopis: Die Europäische Investitionsbank ist die Bank der EU, gehört also den 27 EU-Ländern. Unsere Aufgabe ist es, die besten Finanzierungsmöglichkeiten für Projekte bereitzustellen, die für den Erfolg der Europäischen Union wichtig sind. Oft sind das sehr langfristige Kredite innerhalb der EU. Etwa zehn Prozent unserer Mittel helfen aber auch außerhalb Europas, unsere Ideen und politischen Ziele zu verwirklichen.

Ändern sich Ihre Ziele, wenn sich die Politiklandschaft ändert?

Patricia llopis: Traditionell hat die EIB vier Prioritäten. Erstens unterstützen wir den Aufbau und Erhalt von Infrastruktur. Darunter fallen ganz klassisch Straßen und Schienen, aber auch Stromtrassen, digitale Netze und vieles mehr. Zweitens investieren wir in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents, indem wir innovative Projekte fördern. Drittens unterstützen wir kleine und mittelständische Betriebe, die von Garantien oder Durchleitungskrediten an nationale oder regionale Partner profitieren. Und schließlich legen wir besonderes Augenmerk auf Projekte, die dem Umwelt- oder Klimaschutz zugutekommen, dazu gehört auch nachhaltiger und sozialer Wohnungsbau.

Gerade der letztgenannte Punkt ist mit dem Antritt der neuen Europäischen Kommission unter Ursula von der Leyen ins Zentrum unseres Handelns gerückt. Zusammen mit der Kommission wollen wir dafür sorgen, dass die EU bis 2050 klimaneutral ist. Dazu braucht es vor allem in den kommenden zehn Jahren enorme Investitionen.

„Die Kosten für eine Unterkunft beanspruchen oft einen erheblichen Anteil der Einkommen und Menschen, die versuchen, in Sozialwohnungen oder anderweitig gefördertem Wohnraum unterzukommen, landen auf langen Wartelisten.“

Patricia Llopis, Expertin für Stadtentwicklung bei der Europäischen Investitionsbank

Ziele der EIB im deutschen Wohnungsbaubereich: Nachhaltiger und sozialer Wohnungsbau

Was sind die Ziele der EIB in Bezug auf den deutschen Wohnungsbaubereich?

Patricia llopis: In vielen deutschen und europäischen Städten ist der Wohnungsmarkt in der Krise. Die Kosten für eine Unterkunft beanspruchen oft einen erheblichen Anteil der Einkommen. Und Menschen, die versuchen, in Sozialwohnungen oder anderweitig gefördertem Wohnraum unterzukommen, landen auf langen Wartelisten. In vielen deutschen, aber auch europäischen Städten ist der Wohnungsmarkt in der Krise. Die Kosten für eine Unterkunft beanspruchen oft einen erheblichen Anteil der Einkommen und Menschen, die versuchen, in Sozialwohnungen oder anderweitig gefördertem Wohnraum unterzukommen, landen auf langen Wartelisten.

Städte und Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland sind dabei, ambitionierte Investitionsprogramme umzusetzen. Nachhaltiger und sozialer Wohnungsbau soll dadurch mehr in den Fokus rücken. Somit soll mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. EIB-Finanzierungen spielen dabei eine wichtige Rolle, die nötigen Mittel für diese Programme bereitzustellen.

Die EIB gewährt großen privaten und öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften Direktfinanzierungen, bei denen mit einem Darlehensvertrag ein mehrjähriges Investitionsprogramm unterstützt werden kann – und dadurch häufig eine Vielzahl von Objekten. Viele Kunden sehen das als Vorteil. So können sie in relativ kurzer Zeit große Investitionsvolumen stemmen. Auch Modernisierungen lassen sich auf diesem Wege finanzieren.

Zusätzlich zu Direktfinanzierungen kooperiert die EIB mit Partnern wie zum Beispiel regionalen Förderbanken, die unsere Mittel durchleiten und so kleineren Vorhaben zur Verfügung stellen.

Kostengünstiger Wohnraum ist ein zentrales Ziel der EIB-Finanzierungen im Wohnungsbausektor. Sehr wichtig sind uns aber auch Energieeffizienz und Klimaschutz. Nachhaltiger und sozialer Wohnungsbau ist dementsprechend ein wichtiges Thema der heutigen Zeit.

„Unsere Projekte haben das Ziel, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und die Lebensqualität jener Gruppen zu verbessern, deren Wohnbedürfnisse vom Markt nicht ausreichend gedeckt werden.“

Patricia Llopis, Expertin für Stadtentwicklung bei der Europäischen Investitionsbank

Die EU-Ziele für einen nachhaltigen und sozialen Wohnungsbau

Die EIB finanziert Neubau- und Modernisierungsprojekte im Wohnungsbaubereich soweit sie mit den EU-Zielen im Einklang stehen. Können Sie diese Ziele kurz erläutern?

Patricia llopis: Die EIB unterstützt die Umsetzung der EU-Städteagenda, die europäische, nationale, regionale und lokale Akteure zusammenbringt, um die Lebensqualität in städtischen Gebieten zu verbessern. Wir investieren in Regionen und Städte, in denen es eine klare Wohnungspolitik und einen regulatorischen Rahmen gibt.

Unsere Projekte haben das Ziel, den sozialen Zusammenhalt zu stärken und die Lebensqualität jener Gruppen zu verbessern, deren Wohnbedürfnisse vom Markt nicht ausreichend gedeckt werden. Zudem wollen wir die Zersiedelung bekämpfen, lebendige Stadtviertel schaffen und nachhaltige Verkehrslösungen ermöglichen. Nachhaltiger und sozialer Wohnungsbau ist dementsprechend das übergeordnete Ziel, welches hinter zahlreichen Projekten steht.

Die EIB beteiligt sich auch an der EU-Städtepartnerschaft zum Thema Wohnen, die unter anderem bessere Finanzierungsinstrumente für leistbares Wohnen erkunden will. Durch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern fördern wir neue Ansätze für den nachhaltigen und sozialen Wohnungsbau in europäischen Regionen, in denen das Angebot begrenzt ist und sich die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln.

„Bezahlbarer Wohnraum ist enorm wichtig für die nachhaltige Entwicklung von Städten und Gemeinden. Gleichzeitig sind die Heizkosten in manchem schlecht gedämmten Gebäude ein wesentlicher Kostenfaktor für die Bewohner. Es ergibt also ökonomischen und ökologischen Sinn, in hohe Energieeffizienzstandards zu investieren.“

Patricia Llopis, Expertin für Stadtentwicklung bei der Europäischen Investitionsbank

Insbesondere werden Projekte des sozialen und bezahlbaren Wohnungsbaus und Energieeffizienzprojekte finanziert. Gibt es innerhalb der EIB eine Präferenz bzw. stehen eher soziale oder energetische Projekte im Vordergrund?

Patricia llopis: Sie sprechen hier zwei Punkte an, die nur zusammen gedacht werden können. Bezahlbarer Wohnraum ist enorm wichtig für die nachhaltige Entwicklung von Städten und Gemeinden. Gleichzeitig sind die Heizkosten in manchem schlecht gedämmten Gebäude ein wesentlicher Kostenfaktor für die Bewohner. Es ergibt also ökonomischen und ökologischen Sinn, in hohe Energieeffizienzstandards zu investieren. Nachhaltiger und sozialer Wohnungsbau hat demnach zahlreiche Komponente, die zusammenspielen.

Zudem versteht sich die EIB als Klimabank der EU. Energieeffizienz gehört zur DNA unserer Arbeit, unabhängig vom Sektor. Im öffentlichen Wohnungsbau liegt unser Fokus daher auf sozialem und bezahlbarem Wohnraum mit möglichst hohen Energieeffizienzstandards. Beim privaten Wohnungsbau konzentrieren wir uns ausschließlich auf energetische Sanierungen und auf Neubauten mit Energiestandards, die deutlich über den gesetzlichen Anforderungen liegen.

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz wird bei der Förderung vom Wohnungsbau relevanter

Haben sich die EIB Projektanforderungen / Bereich Wohnungsbauwirtschaft in den letzten Jahren verändert? Und wenn ja, wie?

Patricia llopis: Europaweit haben wir in den vergangenen Jahren ein breites Spektrum an Projekten im Wohnungsbaubereich finanziert – von Sozialwohnungen, zu Studentenunterkünften und Pflegeheimen bis hin zu Aufnahmezentren für Geflüchtete. Grundsätzlich beobachten wir den Markt und passen unsere Finanzierungen den Entwicklungen in den jeweiligen Ländern an. Den größten Wandel hat es dabei in der jüngeren Vergangenheit in Bezug auf die Energieeffizienz der Gebäude gegeben. Das Thema ist für uns als Klimabank ja ohnehin besonders wichtig, und die schrittweise steigenden Standards auf europäischer und nationaler Ebene wirken sich natürlich auch auf unsere Arbeit aus.

„Alle Menschen haben das Recht auf angemessenen Wohnraum, und wir tun gut daran, dieses Recht zu achten.“

Patricia Llopis, Expertin für Stadtentwicklung bei der Europäischen Investitionsbank

Warum sind Finanzierungen, die den sozialen und nachhaltigen Wohnungsbau fördern, gesellschaftlich so relevant?

Patricia llopis: Die EIB unterstützt bezahlbares Wohnen aus mehreren Gründen: Zuerst wäre da soziale Gerechtigkeit. Alle Menschen haben das Recht auf angemessenen Wohnraum, und wir tun gut daran, dieses Recht zu achten. Es geht nicht nur darum, die Ungleichheit in der Gesellschaft zu verringern. Eine sensible Wohnungspolitik ist auch ein Mittel, um potenzielle Spannungen zu entschärfen, die durch die Konzentration verschiedener Bevölkerungsgruppen und durch mangelnde soziale Durchmischung entstehen können.

Darüber hinaus beobachten wir europaweit, dass die Wohnungsmärkte kein ausreichendes Angebot für einkommensschwache und marginalisierte Bevölkerungsgruppen bereitstellen. Das hat teils weitreichende Folgen für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und den sozialen Zusammenhalt. Die EIB begegnet diesem Problem, indem sie langfristige Kredite an Träger von sozialen und bezahlbaren Wohnungsprojekten vergibt und dadurch Städten und Gemeinden unter die Arme greift.

Engagement der EIB im Wohnungsbau

Wie viele Projekte im Wohnungsbaubereich finanzieren Sie europaweit?

Patricia llopis: Zwischen 2015 und 2019 haben wir weltweit rund 9,6 Milliarden EUR investiert, um soziale oder kostengünstige Wohnungen zu unterstützen, über 95 Prozent davon in der EU.

Und deutschlandweit?

Patricia llopis: Deutschland ist einer der größten Nutznießer unserer Finanzierungen. Zwischen 2015 und 2019 erhielten deutsche Projektträger im Wohnungsbausektor stolze 2,4 Milliarden Euro aus EIB-Mitteln. Das heißt, gut jeder vierte Euro, den wir in dieser Zeit in dem Bereich investiert haben, kam Deutschland zugute.

„Lokalen Schätzungen zufolge, wird die Bevölkerung Berlins bis 2030 auf knapp vier Millionen Menschen anwachsen.“

Patricia Llopis, Expertin für Stadtentwicklung bei der Europäischen Investitionsbank

Der Berliner Wohnungsmarkt aus Sicht der EIB

Wie sehen Sie den Berliner Wohnungsmarkt in Bezug auf bezahlbaren Wohnraum in europäischen Vergleich?

Patricia llopis: Lokalen Schätzungen zufolge wird die Bevölkerung Berlins bis 2030 auf knapp vier Millionen Menschen anwachsen. Die meisten Einwohner leben in einer von etwa 1,6 Millionen Mietwohnungen. Wie in vielen anderen europäischen Städten gibt es bei Mietwohnungen einen erheblichen Engpass – vor allem für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

Starke Mietpreissteigerungen verzeichnet Berlin vor allem bei Neuvermietungen. Zusammen mit der dynamischen Bevölkerungsentwicklung führen sie dazu, dass der Wohnungsmarkt hier eher angespannt ist. Dazu trägt auch die im europäischen Vergleich geringe Eigentumsquote bei. Außerdem gibt es in Berlin relativ viele Menschen mit Wohnberechtigungsschein, also mit Anspruch auf geförderte Wohnungen. Gleichzeitig geht die Anzahl dieser Wohnungen seit Jahren zurück, wenngleich der Senat dieser Entwicklung inzwischen gegensteuert. Insbesondere die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften investieren nun wieder stark.

„Den neuesten Eurostat-Erhebungen zufolge, hatte 2016 fast jeder zwanzigste EU-Bürger große Probleme, eine angemessene Wohnung zu finden. Elf Prozent der Menschen gaben mindestens 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für eine Unterkunft aus. Großstädte sind von diesen Problemen besonders betroffen.“

Patricia Llopis, Expertin für Stadtentwicklung bei der Europäischen Investitionsbank

Bedeutung der Finanzierung der Wohnungsmärkte

Warum sind Finanzierungen im Wohnungsmarkt gerade in Großstädten bedeutend?

Patricia llopis: Über 70 Prozent der Europäer leben in städtischen Gebieten. Dies führt häufig zu einer hohen Nachfrage nach preiswerten Wohnungen. Den neuesten Eurostat-Erhebungen zufolge, hatte 2016 fast jeder zwanzigste EU-Bürger große Probleme, eine angemessene Wohnung zu finden. Elf Prozent der Menschen gaben mindestens 40 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für eine Unterkunft aus. Großstädte sind von diesen Problemen besonders betroffen.

Nun sind die Investitionen in den Wohnungsbau seit 2009 eher rückläufig. Das führt gerade im Bereich der bezahlbaren Wohnungen zu zwei wesentlichen Problemen: es gibt weniger und weniger gute Unterkünfte, aber gleichzeitig steigt der Bedarf. Laut einer kürzlich durchgeführten EU-Studie fehlen jährlich etwa sechs Milliarden EUR für den sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau. Das heißt, dass die Investitionen in diesem Sektor um 25 Prozent steigen sollten.

Diese Lücke können wir nicht ganz füllen. Wir können aber unseren Beitrag dazu leisten, dass das Wohnen auch in Großstädten nicht nur etwas für Großverdiener ist. Und das machen wir mit Elan.

Vielen Dank für das Gespräch.

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