Simulation: Das künftige Gewobag-Quartier an der Landsberger Allee aus der Vogelperspektive. Rendering: Simulation: Begrünter Hof und Gebäudefassade im künftigen Gewobag-Quartier an der Landsberger Allee. Rendering: Bloomimages Berlin GmbH

Modulares Bauen in neuer Dimension

An der Landsberger Allee errichtet die Gewobag ein nachhaltiges Zukunftsquartier. Erstmals in Deutschland kommt dabei das modulare Bauen in derart großer Dimension zum Einsatz. Über ein spannendes Pilotprojekt – und einen neuen Weg im sozialen Wohnungsbau.     

Wenn Baustarts etwas Besonderes sind, ist dieser besonders besonders: Mit der Grundsteinlegung für das neu entstehende Gewobag-Quartier an der Landsberger Allee in Lichtenberg wurde am Freitag (27. Januar) der offizielle Startschuss für ein Großprojekt gegeben, das es so noch nicht gab.

„In Europa hat bislang noch niemand fast 1.500 Wohnungen in Modulbauweise hergestellt“, sagt Thorsten Schulte, Geschäftsführer der Gewobag Entwicklungs- und Baubetreuungsgesellschaft, „das ist ein Erstlingswerk.“ Eines, das durch seine Dimension mit über 3.000 Modulen für Aufsehen sorgt. Nicht wenige betrachten das Vorhaben als einen Testlauf für das Bauen der Zukunft. 

Nachhaltiges Zukunftsquartier

An der Landsberger Allee entsteht ein neues, lebendiges Quartier mit knapp 1.500 bezahlbaren Wohnungen, wovon 500 speziell an StudentInnen angeboten werden. Der Faktor Nachhaltigkeit wird dabei großgeschrieben – sei es durch bau- und energietechnisch optimierte Module, begrünte Dächer oder eine öffentliche Parkanlage. Die Fertigstellung ist für Anfang 2026 geplant. Bezirksbürgermeister Michael Grunst: „Lichtenberg verändert sich und es ist gut, dass hier ein modernes Wohnquartier mit bezahlbaren Mieten, nachhaltiger Bauweise und mit guter Anbindung in die Innenstadt entsteht.“

Welche Hoffnungen mit dem modularen Bauen verknüpft sind, verdeutlichten die Redebeiträge bei der symbolischen Grundsteinlegung, die am Freitag an der Ecke Landsberger Allee und Ferdinand-Schultze-Straße stattfand.

„So geht schnelles, modernes und soziales Bauen, das wir für unsere Stadt dringend brauchen“, sagte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey: „Nur, wenn wir stärker auf Modulbauweise setzen, werden wir unser Wohnungsbauziel von 200.000 Wohnungen bis 2030 erreichen.“ Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel sieht es ähnlich. „Die Modulbauweise muss unser Modell für die Zukunft sein. Seriell, modular, in guter Qualität und bezahlbar.“

V. l. n. r.: Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Michael Grunst, Bezirksbürgermeister von Lichtenberg, Markus Terboven, Mitglied im Vorstand der Gewobag, Snezana Michaelis, Mitglied im Vorstand der Gewobag, Kevin Hönicke, Lichtenbergs Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen | Foto: City-Press
Die Regierende Bürgermeistern Franziska Giffey mit Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst, den Gewobag-Vorständen Markus Terboven und Snezana Michaelis sowie Bezirksstadtrat Kevin Hönicke und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (v.l.) bei der Grundsteinlegung an der Landsberger Allee. Foto: City-Press

Mehr Tempo, stabile Kosten, nachhaltiger Ressourceneinsatz und ein hohes Maß an Qualitätssicherung – die Vorteile des modularen Bauens sind vielfältig. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konzept? Taugt es wirklich zum Problemlöser der Wohnungswirtschaft? Welche Grenzen gibt es, und wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus?

Plattenbau 2.0? Nein, danke!  

Wer bei modularem Bauen an triste Plattenbauten denkt, kann seine Befürchtungen wieder beiseitelegen. Verglichen mit den bekannten Fertigbauweisen gehen Modulbauten mehrere Schritte weiter. Statt großer Einzelteile werden „fertige“ Raumzellen auf die Baustelle geliefert, inklusive Elektro-, Heizungs- und Lüftungsinstallation. Theoretisch können sie bereits vollständig möbliert sein.

An der Landsberger Allee in Lichtenberg entsteht in Modulbauweise ein lebendiges, nachhaltiges Quartier mit viel Grün. Rendering: Bloomimages Berlin GmbH

Auch optisch haben Modul- und Plattenbauten wenig gemein. Neben der Gestaltung der Module lässt vor allem das Design der Außenfassaden viel Spielraum. Dass in Berlin künftig etliche Modulbauten nach Schema F aus dem Boden sprießen, steht also nicht zu befürchten.

Weniger Bauzeit, mehr Qualität

Gemessen an konventionellen Bauten erfordert die Modulbauweise allerdings mehr Planung im Voraus – im Großen beim Wohnungsmix innerhalb der Gebäude, im Kleinen bei der Ausgestaltung der einzelnen Module. „Vor dem Baustart muss alles bis zur letzten Schraube durchgeplant sein“, sagt Thorsten Schulte, „aber auf der Baustelle – und damit insgesamt – sind wir vier, fünf Monate schneller.“ Nicht der einzige Pluspunkt. 

„Einer der größten Vorteile ist die Qualität, die wir bekommen“, hebt Schulte hervor: „Mit den Modulen haben wir ein Produkt, das wir schon im Werk abnehmen können, denn die Gewobag wird die Produktion in der Halle überwachen. Jedes Fenster wird schon im Werk getestet.“ Ein eklatanter Unterschied zu bisherigen Baustellen, auf denen die Mängelbehebung meist mehrere Monate in Anspruch nimmt.   

Fertigung in Fürstenwalde

Die Umsetzung des Großprojekts verantwortet die Daiwa House Modular Europe GmbH. Um die Transportwege und damit den CO2-Ausstoß zu verringern, bezieht Daiwa eine Fabrik in Fürstenwalde. „Damit stärken wir auch die regionale Wirtschaft, da die zentralen Module nebenan in Brandenburg produziert werden“, sagt Gewobag-Vorstandsmitglied Markus Terboven.

Effizienter Materialeinsatz

Ähnlich gravierende Vorzüge finden sich in puncto Nachhaltigkeit. Während auf herkömmlichen Baustellen viele Baustoffe in die Tonne wandern, kann die modulare Fertigung im Werk gut gesteuert werden.

Nach rund 25 Jahren in der Branche kennt Thorsten Schulte die Fakten zur Genüge: „Ungefähr ein Fünftel des Materials, das auf eine gewöhnliche Baustelle geliefert wird, landet im Abfallcontainer.“ Nicht so beim Modulbau. Ob Trockenbauplatten, Kabel oder Rohre – durch Schnittpläne und gezielte Resteverwertung geht die Rohstoffeinsatz unter Fabrikbedingungen deutlich effizienter vonstatten.

Kontrollierbare Kosten

Und wie ist es um die Kosten bestellt? Noch fällt dieser Faktor nicht groß ins Gewicht – dafür ist diese Art des Wohnungsbaus in Deutschland zu neu. Ein Umstand, der sich in Zukunft ändern wird.

Durch etablierte Produktionslinien werden Skaleneffekte entstehen, in Berlin wird die Logistik zudem in den Nahbereich rücken. Darüber hinaus dürfte sich der Wettbewerb unter den Herstellern verschärfen, was eine Senkung der Marktpreise zur Folge hat. Nicht zu vergessen: Schon jetzt lassen sich die Kosten durch die standardisierten Produktionsbedingungen besser kontrollieren.

Wo ist der Haken?  

Unterm Strich finden sich für das modulare Bauen also viele gute Argumente, eine Universallösung ist das Konzept aber freilich nicht. Nicht alle Grundstücke und Bauten eigenen sich für die Modulbauweise, davon abgesehen wird die standardisierte Modul-Fertigung durch bundesländerspezifische Bauordnungen in Deutschland erschwert.

Auch logistische Hürden gilt es derzeit noch zu meistern, ebenso bleibt die Kombination einzelner Module eine Herausforderung. An der Landsberger Alle wurde in der Planung lange gerungen, weil die Standardmaße der Raumzellen nicht ideal mit den bevorzugten Wohnungsgrundrissen harmonierten. Ein Prozess, an dessen Ende gute Lösungen standen.

Die Fertigstellung des neuen Quartiers an der Landsberger Allee ist für Anfang 2026 geplant. Hergestellt werden die Gebäude in Modulbauweise. Rendering: Bloomimages Berlin GmbH

Los geht es an der Landsberger Allee jedoch mit bewährten Methoden. Im ersten Baujahr wird zunächst ein konventioneller Rohbau realisiert – mit Bohrpfählen, Bodenplatte, Tiefergarage und einem „klassischen“ Erdgeschoss für den Einzelhandel. Ein stabiles Fundament, auf dem anschließend die Zukunft gebaut wird. Mit Modulen. 

Ob die Gewobag in zehn Jahren nur noch auf die Modulbauweise setzen wird? „Nicht ausschließlich“, prognostiziert Thorsten Schulte, doch die Tendenz ist für ihn klar: „Wir werden einen hohen Grad an modularem Bauen bekommen. In dem Wohnungsbausegment, in dem wir viele, bezahlbare Wohnungen herstellen wollen, ist das das Mittel der Wahl.“

Zukunftsfähige Arbeitsbedingungen

Durch den demographischen und gesellschaftlichen Wandel werden Fach- und Arbeitskräfte im Baugewerbe zunehmend knapp. Auch in diesem Zusammenhang sind Hoffnungen mit dem modularen Bauen verbunden. Temperierte Hallen mit höherer Arbeitsplatzergonomie machen den Berufszweig wieder attraktiver, auch Austauschprozesse lassen sich besser gestalten. „Wir müssen sehen, wie wir Fachkräfte so effizient wie möglich einsetzen“, sagt Thorsten Schulte, „das wird uns in einer Fabrik deutlich leichter fallen. Dadurch erreichen wir eine höhere Qualität und begegnen dem Fachkräftemangel.“

Titelbild: Bloomimages Berlin GmbH

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